Editorial

Editorial Dezember 2009

Liebe Leserin,
lieber Leser,

seit 1953 bildet die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) eine wesentliche Grundlage zur Erlangung von Erkenntnissen für die vorbeugende und verfolgende Kriminalitätsbekämpfung, für die kriminologisch-soziologische Forschung sowie kriminalpolitische Maßnahmen in Bund und Ländern. Über eine ständige Fortschreibung und Analyse der stark ausdifferenzierten Daten können lageangepasste Maßnahmen ergriffen werden. Da eine Erfassung in der PKS nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens vorgesehen ist, werden im Interesse eines rascheren Erkennens von Brennpunkten teilweise Verfahren zur Darstellung von Lage- und Führungsinformationen genutzt, die bereits Daten aus der Anzeigenaufnahme bzw. der so genannten Eingangserfassung nutzen. Alle Verfahren haben im Laufe der Jahre Stärken, aber auch eine Reihe von Schwächen offen gelegt. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Blick über den Zaun zu unserem Nachbarn Österreich interessant. Im Rahmen des Projektes „Reform des Kriminaldienstes, insbesondere durch Aufbau des Bundeskriminalamtes„ wurde ab Mai 2000 der Themenkomplex „Statistik und Analyse„ grundlegend überarbeitet.

> Magister Paul MAROUSCHEK, Leiter der Abteilung 4 „Kriminalanalyse, Kriminalstatistik„ beim Bundeskriminalamt der Republik Österreich, gibt mit dem ersten Teil seines Beitrags „Vom Informationsfriedhof zu Führungsinformationssystemen„ einen tiefen Einblick in die Implementierung von international anerkannten, aber auf österreichische Verhältnisse angepasste Analysestandards und -methodiken. Fernab von einem wissenschaftlichen Beitrag beschreibt er den steinigen Weg von der Idee über die Planung bis zur Umsetzung verschiedenster Führungsinformationssysteme. Ehrlich und ohne Umschweife stellt er die praktischen Erfahrungen, die aufgetauchten Probleme und deren Lösungen vor. Er vermeidet nicht die Darstellung von Fehlplanungen und Rückschlägen, aber auch nicht von Vorurteilen und Missverständnissen. Dies schließt, so Marouschek, teilweise aufgetretene Ignoranz und Hilflosigkeit mancher Führungskräfte ein. Das „Team Marouschek„ wurde zum Teil in seinem Arbeitsumfeld als Außerirdische angesehen. Einsperren, sicherstellen und den Häftling einliefern ist nach Auffassung des überwiegenden Teils der Kollegen noch wichtiger. Er versucht den Wert einer Tätergruppenanalyse darzustellen, um so vielleicht effektivere Maßnahmen gegen die kriminelle Organisation setzen zu können. Die Leitlinien des Projektes beinhalteten im wesentlichen eine anwenderfreundliche einfache Bedienbarkeit durch eine einheitliche Benutzeroberfläche, einen geringeren Schulungsaufwand, eine rasche Anpassungsmöglichkeit und eine hohe Qualität der Entscheidungsgrundlagen. Im Vordergrund stand, nicht den altbekannten Kardinalfehler zu wiederholen, nur liefern zu lassen und nichts geben.
In der kommenden Ausgabe werden beispielsweise die Komplexe „Geografische Informationssysteme„, „Visualisierungs- und Analysetools„ oder „Trend- und Prognosemodelle„ vorgestellt.

> Unter dem Titel „Vom Hilfsbeamten zur Ermittlungsperson – Funktionswandel der Polizei in europäischen Kriminaljustizsystemen„ beschreibt Dr. Beatrix ELSNER, Georg-August-Universität Göttingen, das faktische Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei. Über eine Betrachtung des Verhältnisses zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in einigen europäischen Nachbarländern schlussfolgert sie unter anderem, dass die Rolle der Polizei im Ermittlungsverfahren nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen kontinentaleuropäischen Vergleichsländern zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Im Ergebnis wird erneut deutlich, dass sich die Polizei seit der Einführung der Reichsstrafprozessordnung in Deutschland im Jahre 1877 nicht nur zu einer anerkannten Bürgerpolizei, sondern auch zu einem hoch spezialisierten und kompetenten „Dienstleister„ entwickelt hat.

Herbert Klein