Rechtssprechung

Wohnraumüberwachung zur Gefahrenabwehr - Teil 2

Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 29. Januar 2007, Az: VGH B 1/06

von Dr. Rolf Meier, Ministerialrat, Vertreter der Parlamentarischen Geschäftsführerin und Justitiar der SPD-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz

(3) Vor dem Hintergrund dieser begrifflichen Ausgangslage gestattet Art. 7 Abs. 3 LV - nach seinem Wortlaut ohne weitere verfassungsrechtliche Schranken –, zur Behebung öffentlicher Notstände die Behörden durch Gesetz zu Eingriffen und Einschränkungen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung zu ermächtigen. Der danach eröffnete grundsätzlich weite Eingriffsspielraum erfuhr in der Vergangenheit nur dadurch eine Einschränkung, dass der Begriff der „Behebung öffentlicher Notstände„ schon im Hinblick auf die Rechtslage vor Änderung des Art. 13 GG durch Gesetz vom 26. März 1998 (BGBl. I S. 610) übereinstimmend unter Rückgriff auf Art. 13 Abs. 3 GG a.F. (= Art. 13 Abs. 7 GG n.F.) ausgelegt worden ist, da er konkreter als Art. 7 Abs. 3 LV gefasst, sachlich aber nicht abweichend gestaltet sei (Dennhardt, in: Grimm/Caesar, Verfassung für Rheinland-Pfalz, Art. 7 Rn. 14; Korger, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Art. 7 LV Anm. 3.2.1). Hierzu wurde sogar die Auffassung vertreten, der unbestimmt gehaltene Begriff „Behebung öffentlicher Notstände„ in Art. 7 Abs. 3 LV werde durch Art. 13 Abs. 3 GG a.F. ersetzt (Süsterhenn/Schäfer, a.a.O., Art. 7 Anm. 5. b). Nach dieser Regelung durften Eingriffe und Beschränkungen nur zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen, aufgrund eines Gesetzes aber auch zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Behebung der Raumnot, zur Bekämpfung von Seuchengefahr oder zum Schutze gefährdeter Jugendlicher vorgenommen werden. Bereits diese Vorschrift gestattete bundesverfassungsrechtlich nach allgemeinem Verständnis die polizeiliche Überwachung von Wohnräumen unter Einsatz technischer Mittel zum Abhören und Aufzeichnen des gesprochenen Wortes sowie zur Anfertigung von Bildaufzeichnungen zu präventiven Zwecken (Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 49, 89). Hiervon ging auch der Bundesgesetzgeber im Zuge der Änderung des Art. 13 GG aus (Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 90; BT-Drucks. 13/8650, S. 4 f.).
Diese ursprüngliche Ausdeutung des Art. 7 Abs. 3 LV unter Bezugnahme auf Art. 13 Abs. 3 GG a.F. beruhte daher nicht auf einer Verkennung des Begriffs der „öffentlichen Notstände„ oder einem vermeintlichen Rangverhältnis von Bundes- und Landesverfassungsrecht, sondern diente einer grundrechtsfreundlichen Bestimmung des Schutzgehalts der Norm. Denn erst die Bezugnahme auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. führte zu einer wirksamen inhaltlichen Beschränkung der bei isolierter und rein am Wortlaut orientierter Betrachtung des Art. 7 Abs. 3 LV in Notstandssituationen bestehenden weiten Eingriffsmöglichkeiten.

Dr. Rolf Meier, Ministerialrat


(4) Das so umschriebene Schutzniveau des Art. 7 Abs. 3 LV steht mittlerweile mit den bundesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes nicht mehr in Einklang. Die im Zuge der Änderung des Art 13 GG eingefügte Neuregelung der Zulässigkeit einer Wohnraumüberwachung zu präventiven Zwecken in Art. 13 Abs. 4 GG n.F. bewirkte nämlich eine Verschärfung der bis dahin geltenden Anforderungen des Art. 13 Abs. 3 GG a.F. (BT-Drucks. 13/8650, S. 4 f.; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 90;). So dürfen nunmehr gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 GG n.F. technische Mittel zur Überwachung von Wohnungen nur aufgrund richterlicher Anordnung zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, eingesetzt werden. Das Anknüpfen an die Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit bedeutet das Voraussetzen einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne und lässt das bis dahin als Eingriffsvoraussetzung genügende Bestehen einer abstrakten Gefahr nicht mehr ausreichen (vgl. BVerfGE 17, 232 [251 f.]; 109, 279 [379]; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 93; Herdegen, in: Bonner Kommentar, Art. 13 Rn. 77). Darüber hinaus darf die Überwachungsmaßnahme nur der Abwehr von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit, nicht aber mehr von dringenden Gefahren für die öffentliche Ordnung dienen. Schließlich sichert Art. 13 Abs. 4 GG n.F. das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 3 GG a.F. durch die Anordnung eines Richtervorbehalts ab.
Die im Zusammenspiel der genannten Anforderungen bundesverfassungsrechtlich bewirkte weitere Beschränkung der Eingriffsmöglichkeiten in den Schutzbereich des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung ist landesverfassungsrechtlich in gleicher Weise geboten, da sich in dem Grundrecht aus Art. 7 Abs. 1 LV auch die durch Art. 1 Abs. 1 LV in Verbindung mit dem Vorspruch der Landesverfassung garantierte Menschenwürde konkretisiert. Insbesondere im Lichte dieser Bedeutung des Grundrechts sind seine Einschränkungsmöglichkeiten grundgesetzkonform in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 GG n.F. auszulegen. Die hieraus folgende Harmonisierung des Schutzniveaus beider Verfassungsräume gewährleistet gemäß Art. 142, 31 GG die Fortgeltung des Landesgrundrechts (vgl. BVerfGE 96, 345 [365]).

bb) § 29 POG wird den danach bestehenden Anforderungen gerecht.

Die nach Art. 7 Abs. 3 LV unter Berücksichtigung von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 GG n.F. bestehende Maßgabe, die Wohnraumüberwachungsmaßnahme dürfe nur zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, durchgeführt werden, wird durch § 29 Abs. 1 Satz 1 POG wort- und inhaltsgleich aufgegriffen. Mit diesen hohen Anforderungen wird dem Erfordernis Rechnung getragen, der Gesetzgeber habe die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits, wie der Einschreitschwelle, der geforderten Tatsachenbasis und dem Gewicht der geschützten Rechtsgüter, zu wahren (BVerfG, NJW 2006, 1939 [1946]; vgl. BVerfGE 100, 313 [392 ff.]).
Das Tatbestandsmerkmal „Abwehr„ und die Aufgabe desBegriffs der - bloßen - „Verhütung„ gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 POG in der Fassung des Gesetzes vom 2. März 2004 lassen eine Wohnraumüberwachung nur noch bei Bestehen konkreter Gefahren im polizeirechtlichen Sinne zu (BVerfGE 109, 279 [378 f.]). Dies setzt eine Sachlage voraus, bei der im konkreten Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für eines der betroffenen Rechtsgüter eintritt (BVerfG, NJW 2006, 1939 [1947]). Das bloße Vorliegen einer abstrakten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne, die Art. 13 Abs. 3 GG a.F. ausreichen ließ und wonach eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch nicht eingetreten sein musste (BVerfGE 17, 232 [251 f.]; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn. 93; Herdegen, a.a.O., Art. 13 Rn. 77), genügt damit nicht mehr als Eingriffsvoraussetzung. Des Weiteren ist das Tatbestandsmerkmal der „dringenden Gefahr„ durch die Rechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 GG a. F. präzisiert worden: Es muss bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines wichtigen Rechtsguts drohen (BVerwGE 47, 31 [40]). Das Erfordernis der Dringlichkeit intensiviert nochmals die inhaltlichen Anforderungen sowohl hinsichtlich der Rechtsgüter, deren Schutz die Wohnraumüberwachung dienen soll, als auch des Grades der Wahrscheinlichkeit ihrer Gefährdung. Es genügt in dieser Auslegung verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 109, 279 [379]). Die zusätzliche Benennung der „gemeinen Gefahr„, die an das Betroffensein einer unbestimmten Zahl von Personen oder Sachen anknüpft (Papier, a.a.O., Art. 13 Rn 123), und der „Lebensgefahr„ - als Beispielsfälle dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit - gewährleistet, dass nur hochrangige Rechtsgüter gleichwertiger Art eine Wohnraumüberwachung rechtfertigen können (BT-Drucks. 13/8650, S. 5; Papier, a.a.O., Art. 13 Rn 95). Die durch § 29 Abs. 1 POG festgelegte Einschreitschwelle entspricht daher dem durch Art. 7 Abs. 1 und 3 LV garantierten Schutzniveau.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht übernimmt § 29 Abs. 7 Satz 1 POG die Anordnung eines Richtervorbehalts gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 GG n.F. Die Ausnahmeregelung des § 29 Abs. 11 POG zur unverzüglichen Nachholung einer richterlichen Entscheidung bei Gefahr im Verzug und ihre Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen stehen in Einklang mit den entsprechenden Anforderungen nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 GG. Darüber hinausgehende verfahrensrechtliche Sicherungen im Hinblick auf die verfassungsrechtlich zwingende richterliche Entscheidung über die Anordnung einer akustischen oder optischen Wohnraumüberwachung werden von Art. 7 Abs. 1 und 3 LV nicht gefordert.

2. Die gesetzlichen Vorschriften des § 29 POG treffen hinreichende Vorkehrungen für das Unterbleiben von Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung und die Wahrung der Menschenwürde.

a) Die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 Abs. 1 LV in Verbindung mit dem Vorspruch der Landesverfassung ist tragendes Konstitutionsprinzip und oberster Verfassungswert. Sie schließt es aus, den Menschen unter Missachtung seines verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und Achtungsanspruchs zum bloßen Objekt der Abwehr auch dringender Gefahren für hochrangige Rechtsgüter zu machen. Dabei führt ein heimliches Vorgehen des Staates an sich noch nicht zu einer Verletzung des absolut geschützten Achtungsanspruchs. Wird jemand zum Objekt einer Beobachtung, geht damit nicht zwingend eine Missachtung seines Wertes als Mensch einher. Bei Beobachtungen ist aber ein unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung zu wahren. Würde der Staat in ihn eindringen, verletzte dies die jedem Menschen unantastbar gewährte Freiheit zur Entfaltung in seinen höchstpersönlichen Belangen. Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in diesen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen; er ist stets verboten. Eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt (vgl. BVerfGE 34, 238 [245]; 109, 279 [312 f.]; BVerfG, NJW 2006, 1939 [1945]).

Der Schutz der Menschenwürde wird auch in dem Grundrecht aus Art. 7 Abs. 1 LV konkretisiert. Die Unverletzlichkeit der Wohnung hat einen engen Bezug zur Menschenwürde und steht zugleich im nahen Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot unbedingter Achtung einer Sphäre des Bürgers für eine ausschließlich private Entfaltung. Dem Einzelnen soll das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, gerade in seinen Wohnräumen gesichert sein. So gehört zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich privater Lebensgestaltung die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen. Die Möglichkeit entsprechender Entfaltung sowie vertraulicher Kommunikation setzt einen geeigneten Freiraum voraus. Das ist regelmäßig die Privatwohnung, die für andere verschlossen werden kann, und als „letztes Refugium„ ein Mittel zur Wahrung der Menschenwürde darstellt. Verlangt wird zwar nicht ein absoluter Schutz der Räume der Privatwohnung, wohl aber ein absoluter Schutz des Verhaltens in diesen Räumen, soweit es sich als individuelle Entfaltung im Kernbereich privater Lebensgestaltung darstellt (vgl. BVerfGE109, 279 [313 f.]; 113,
348 [391]).

Dieser unveräußerliche Schutz darf nicht durch eine Abwägung mit Gefahrenabwehrinteressen nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes relativiert werden. Anders jedoch als im Bereich der Strafverfolgung, bei der es um die staatliche Sanktionierung einer bereits erfolgten, nicht mehr verhinderbaren Rechtsgutverletzung geht, kann im Bereich der Gefahrenabwehr, die das betroffene Rechtsgut vor drohender Verletzung schützen, also den Schadenseintritt verhindern soll (BVerfGE 100, 313 [394]), der absolute Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung in ein Spannungsverhältnis mit der staatlichen Verpflichtung treten, menschliches Leben zu schützen. Sie verpflichtet den Staat und seine Organe, sich schützend und fördernd vor das Leben jedes Einzelnen als vitaler Basis der Menschenwürde zu stellen; das heißt vor allem, es auch vor rechtswidrigen An- und Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (VerfGH RP, AS 32, 244 [246]; vgl. BVerfG, NJW 2006, 751 [757]; Merten, in: Gedächtnisschrift für Burmeister, 2005, S. 227 [236]). Ihren Grund hat diese Schutzpflicht in Art. 1 Abs. 2 LV, der dem Staat ausdrücklich den Schutz der Rechtsgüter des Art. 1 Abs. 1 LV auferlegt (Süsterhenn/Schäfer, a.a.O., Art. 1 Anm. 3.a).

Was diese Verpflichtung für das staatliche Handeln in dem beschriebenen Spannungsverhältnis konkret bedeutet, lässt sich nicht abschließend bestimmen. Schlechthin verboten ist allerdings jede Behandlung des Menschen durch die öffentliche Gewalt, die seinen Status als Rechtssubjekt in Frage stellt. Wann eine solche Behandlung vorliegt, ist im Einzelfall mit Blick auf die spezifische Situation zu konkretisieren, in der es zum Konfliktfall kommen kann (vgl. BVerfG, NJW 2006, 751 [757 f.]). Für den Bereich präventiv-polizeilichen Handelns ist jedenfalls der absolute Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung zumindest unter denselben Voraussetzungen gewährleistet, die eine Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung gestatten. Hiernach sind Gespräche, die eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit begründen, oder vorbereitende Handlungen hierzu, nicht vom absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung umfasst. Allerdings hat eine akustische oder optische Wohnraumüberwachung zu unterbleiben, wenn sich jemand allein oder ausschließlich mit Personen in der Wohnung aufhält, zu denen er in einem besonderen, den Kernbereich betreffenden Vertrauensverhältnis steht und es keine konkreten Anhaltspunkte gibt, die zu erwartenden Gesprä­che oder Handlungen würden nach ihrem Inhalt einen unmittelbaren Bezug zu einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit aufweisen. Für die Einordnung eines Sachverhalts ist der Inhalt des Gesprächs oder der aufzuzeichnenden Handlungen maßgeblich. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung fordert, dass vor der Durchführung von Maßnahmen der Wohnraumüberwachung tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind, aus denen zumindest in typisierender Weise geschlossen werden kann, dass Gespräche und Handlungen nicht den Bereich des Höchstpersönlichen betreffen werden. Die Maßnahmen müssen unterbleiben, sofern sie mit Wahrscheinlichkeit zu einer Kernbereichsverletzung führen. Darüber hinaus hat sich eine Wohnraumüberwachung auf Gespräche und Vorgänge zu beschränken, die mit Wahrscheinlichkeit relevante Inhalte hinsichtlich des Eintritts einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit umfassen. Soweit allerdings nicht wegen hinreichender äußerer Anzeichen für die wahrscheinliche Erfassung absolut geschützter Gespräche oder Handlungen ein Verbot der Durchführung einer Wohnraumüberwachung besteht, dürfen Gespräche des Betroffenen daraufhin abgehört oder von ihm vorgenommene Handlungen daraufhin untersucht werden, ob sich ihnen für die Gefahrenabwehr relevante Informationen entnehmen lassen. Eine für die Bewertung des Inhalts von Gesprä­chen oder Bildaufnahmen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Menschenwürde erforderliche erste „Sichtung„ ist unter diesen Voraussetzungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sollte hingegen im Rahmen einer Wohnraumüberwachung eine Situation eintreten, die dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen ist, muss die Überwachung abgebrochen werden. Dennoch erfolgte Aufzeichnungen sind zu vernichten. Weitergabe und Verwertung der gewonnenen Informationen sind untersagt (vgl. zu alledem BVerfGE 109, 279 [318 ff.]). Diesen Maßstäben, die den Anforderungen zum absoluten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei einer Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung entsprechen, wird die angegriffene Regelung des § 29 POG gerecht. Es bedarf daher keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen zu Zwecken der Gefahrenabwehr weitergehende Überwachungsmaßnahmen zulässig wären.

b) Gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 POG darf eine Datenerhebung nach § 29 Abs. 1 POG nur angeordnet werden, soweit nicht aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Erforderlich ist demnach eine negative Kernbereichsprognose. Hierzu ist gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 POG insbesondere auf die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen zueinander abzustellen. Mit dieser Vorgabe hat der Gesetzgeber die notwendige, aber auch ausreichende Konsequenz aus dem Erfordernis gezogen, vor Beginn einer Überwachungsmaßnahme im Rahmen der vorzunehmenden Prognose mögliche Indikatoren für kernbereichsrelevante Handlungen in der zu überwachenden Wohnung zu beachten (vgl. BVerfGE 109, 279 [320]). Das Bundesverfassungsgericht hat als denkbare Anhaltspunkte zur Einschätzung der Situation ausdrücklich die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten sowie die Tatsache genannt, wer sich in der zu überwachenden Wohnung aufhält (BVerfGE 109, 279 [320 f.]). Diese Kriterien werden in § 29 Abs. 3 Satz 2 POG aufgenommen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 29 Abs. 6 Satz 1 POG eine Datenerhebung in ein durch ein Amts- oder Berufsgeheimnis geschütztes Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53 und 53 a der Strafprozessordnung ausnahmslos für unzulässig erklärt. Der gebotene Schutz der Kommunikation im höchstpersönlichen Bereich wie auch mit anderen Personen des besonderen Vertrauens ist dadurch hinreichend gewährleistet. Des Weiteren ordnet § 29 Abs. 4 Satz 1 POG den unverzüglichen Abbruch des Abhörens, der Beobachtung sowie der Auswertung der erhobenen Daten durch die Polizei an, sofern sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die einschlägigen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für den Bereich der akustischen Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Strafverfolgung ausnahmslos übertragen (BVerfGE 109, 279 [324]). Entsprechendes gilt, soweit § 29 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 POG die unverzügliche Löschung und die Nichtverwertbarkeit solcher Daten anordnet, deren Erhebung in den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung eingreift (BVerfGE 109, 279 [324]).

In der Gesamtschau der genannten Regelungen wird dem absoluten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung in verfassungsgemäßer Weise Rechnung getragen. Ein weitergehender Schutz wäre nur durch den vollständigen Ausschluss der Möglichkeit zur Wohnraumüberwachung möglich. Er ist jedoch von Verfassungs wegen nicht geboten.
c) Zudem ist die Regelung des § 29 Abs. 4 Satz 2 POG nicht zu beanstanden, wonach die Verpflichtung gemäß § 29 Abs. 4 Satz 1 POG, unter den oben beschriebenen Voraussetzungen das Abhören, die Beobachtung sowie die Auswertung erhobener Daten unverzüglich zu unterbrechen, die automatisierte Speicherung der Daten unberührt lässt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat eine automatische Aufzeichnung abgehörter Gespräche nicht generell für unzulässig erachtet, sondern lediglich darauf hingewiesen, Art. 1 Abs. 1 GG könne es erforderlich machen, bei dem Abhören einer Privatwohnung auf eine nur automatische Aufzeichnung der abgehörten Gespräche zu verzichten, um jederzeit die Ermittlungsmaßnahmen unterbrechen zu können. In diesem Zusammenhang ist zutreffend darauf aufmerksam gemacht worden, ein solcher Verzicht sei jedenfalls dann nicht geboten, wenn es sich um Gespräche handele, die wegen undeutlicher Sprechweise überhaupt erst durch technische Mittel verständlich gemacht werden könnten oder die in einer Fremdsprache geführt würden (Rudolf, Großer Lauschangriff zur Abwehr drohender Gefahren, in: Weltinnenrecht – Liber amicorum Jost Delbrück, S. 613). Auch sind Dolmetscher oft erst nach mehrfachem Abhören in der Lage, den richtigen Aussagegehalt einer Äußerung zu bestimmen. Ferner können bei zwei oder mehreren Gesprächsteilnehmern die Aussagen vielfach nicht sofort zugeordnet werden (Brocker/Zartmann, DRiZ 2005, 108 [109]). Darüber hinaus gestattet nur eine automatische Aufzeichnung die Feststellung, wann der absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung verlassen wird, eine Wohnraumüberwachung also wieder beginnen darf (Rudolf, a.a.O., S. 613). Diesen Erwägungen kann nicht entgegengehalten werden, eine automatisierte Speicherung nehme die Erhebung kernbereichsrelevanter Daten bewusst in Kauf. Bestehen hierfür nämlich schon vorher tatsächliche Anhaltspunkte, so ist die Anordnung einer automatisierten Speicherung gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 POG ausgeschlossen und eine gleichwohl erfolgte automatisierte Speicherung solcher Daten unzulässig mit der Folge eines Verwertungsverbots (§ 29 Abs. 5 Satz 1 und 2 POG). Schließlich wird das durch eine automatisierte Speicherung erhöhte Risiko einer Erhebung von Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, durch besondere verfahrensrechtliche Sicherungen kompensiert. Das eine Wohnraumüberwachung anordnende Gericht ist nämlich gemäß § 29 Abs. 8 Satz 1 POG fortlaufend über den Verlauf, die Ergebnisse und die darauf beruhenden Maßnahmen zu unterrichten. Insbesondere können polizeiliche Maßnahmen nach § 29 Abs. 4 POG, d.h. auch die automatisierte Speicherung von Daten, gemäß § 29 Abs. 8 Satz 3 POG durch das anordnende Gericht jederzeit aufgehoben oder geändert werden. Darüber hinaus hat die Polizei gemäß § 29 Abs. 8 Satz 4 POG unverzüglich eine gerichtliche Entscheidung über die Verwertbarkeit erlangter Erkenntnisse herbeizuführen, soweit ein Verwertungsverbot nach § 25 Abs. 5 Satz 2 POG in Betracht kommt. Die automatisierte Datenerhebung unterliegt somit einer ständigen richterlichen Kontrolle. Das Vorliegen ihrer Voraussetzungen bleibt nicht der Einschätzung der die Überwachung durchführenden Polizei überlassen, sondern untersteht einer begleitenden Prüfung und verantwortlichen Feststellung durch das zuständige Gericht. Eine effektive gerichtliche Kontrolle wird zudem durch die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes gewährleistet, auf die der Betroffene zusätzlich zu seiner Unterrichtung über die Durchführung einer verdeckten Datenerhebung ausdrücklich hinzuweisen ist (§ 40 Abs. 5 Satz 1 und 3 POG). Schließlich ist die Landesregierung gemäß § 29 Abs. 12 Satz 1 POG verpflichtet, den Landtag jährlich über den erfolgten Einsatz technischer Mittel nach § 29 Abs. 1 und 11 zu unterrichten, soweit dieser einer richterlichen Anordnung bedarf. An die Seite der unerlässlichen gerichtlichen Prüfung tritt somit ergänzend eine - rechtlich und politisch - wirkungsvolle parlamentarische Kontrolle.

3. Soweit die akustische und optische Wohnraumüberwachung gemäß § 29 POG nicht den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft, setzt ihre Verfassungsmäßigkeit die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus. Seinen Anforderungen wird die angegriffene Regelung gerecht: Sie verfolgt einen legitimen Zweck, ist zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich sowie darüber hinaus verhältnismäßig im engeren Sinne und damit den von Maßnahmen einer Wohnraumüberwachung Betroffenen zumutbar.
a) Die angegriffene Ermächtigung zur Durchführung der akustischen und optischen Wohnraumüberwachung verfolgt einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, da sie der Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr, dient. Der Gesetzgeber erstrebt zudem mit der Regelung, das polizeiliche Instrumentarium zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Gewährleistung eines wirkungsvollen Schutzes der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen fortzuentwickeln (LT-Drucks. 14/2287, S. 1). Damit kommt er einem ihm im Hinblick auf bestehende staatliche Schutzpflichten obliegenden Auftrag nach.
b) Die akustische und optische Wohnraumüberwachung auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 POG ist zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit geeignet. Dies ist der Fall, wenn mit Hilfe eines Gesetzes der erstrebte Erfolg gefördert werden kann (VerfGH RP, AS 31, 348 [357]].
Verfassungsrechtlich durchgreifende Bedenken gegen die grundsätzliche Eignung der akustischen und optischen Wohnraumüberwachung zur Abwehr einer dringenden Gefahr für hochrangige Rechtsgüter sind nicht gerechtfertigt. Zwar hat der Landesbeauftragte für den Datenschutz in seiner Stellungnahme Skepsis gegenüber der grundsätzlichen Notwendigkeit einer präventiven Wohnraumüberwachung geäußert. Zugleich hat er jedoch eingeräumt, weder aufgrund überlegener Sach- und Fachkenntnis noch aufgrund sonstiger Gesichtspunkte der Einschätzung der überwiegenden Zahl polizeilicher Fachleute und der ihr folgenden übergroßen Mehrheit der politisch Verantwortlichen widersprechen zu können, eine entsprechende Erweiterung der polizeilichen Befugnisse sei erforderlich.
Diese Annahme wird nicht durch die Tatsache widerlegt, dass seit der Einfügung der Regelung des früheren § 25 b PVG im Jahr 1986 bis zur Einbringung der angegriffenen gesetzlichen Neuregelung in den Landtag sechs präventive Wohnraumüberwachungen in Rheinland-Pfalz erfolgten (LT-Drucks. 14/3936, S. 1) und nach Inkrafttreten der Neuregelung des § 29 POG gemäß dem Bericht der Landesregierung über den Einsatz technischer Mittel nach §§ 29, 31 POG für das Jahr 2005 ein weiteres Verfahren abgeschlossen wurde (LT-Drucks. 15/114, S. 1).

Als Gründe für den bislang seltenen Einsatz des Instruments der Wohnraumüberwachung sind für den Bereich der repressiven akustischen Wohnraumüberwachung der hohe personelle und finanzielle Aufwand sowie Probleme bei der technischen Realisierung der Maßnahme angeführt worden (vgl. BVerfGE 109, 279 [337]). Gleichwohl haben in der Vergangenheit präventive Wohnraumüberwachungen zu wirksamen Gefahrenabwehrmaßnahmen geführt. Dies haben die Vertreter der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung mit der Schilderung von Ablauf und Ergebnis des aktuellsten Falls einer Wohnraumüberwachung zu Zwecken der Gefahrenabwehr belegt. Hat aber eine Maßnahme der Gefahrenabwehr jedenfalls zum Teil Erfolg, verletzt sie das Eignungsgebot nicht (vgl. BVerfGE 109, 279 [338]). Im Übrigen spricht der offenkundig restriktive Einsatz des Instruments der präventiv-polizeilichen Wohnraumüberwachung für einen behutsamen Umgang der Verantwortlichen mit diesem einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstellenden Mittel und stärkt das Vertrauen der Allgemeinheit in eine grundrechtsschonende Überwachungspraxis (BVerfGE 107, 299 [328]; 109, 279 [355]). Unter diesen Umständen wäre es verfehlt, polizeiliche Zurückhaltung als Beleg für die fehlende Eignung eines restriktiv genutzten Instruments zu werten.
c) Das angegriffene Gesetz ist zur Erreichung seines Zwecks auch erforderlich. Ein gleich wirksames, die Grundrechte aber weniger beeinträchtigendes Mittel steht nicht zur Verfügung (vgl. VerfGH RP, AS 31, 348 [357]). Insoweit ist nicht ersichtlich, dass unter Zugrundelegung der hohen Einschreitschwelle, die für Wohnraumüberwachungsmaßnahmen nach § 29 Abs. 1 POG gilt, weniger grundrechtsbeeinträchtigende Alternativen bestehen, die in vergleichbarer Weise zur Erreichung desselben Gefahrenabwehrzwecks geeignet wären. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber rechtliche Sicherungen vorgesehen, die die Durchführung einer Wohnraumüberwachung nur als letztes Mittel zulassen. Grundsätzlich ist nämlich gemäß § 26 Abs. 5 Satz 1 POG eine Datenerhebung offen und beim Betroffenen vorzunehmen. Eine verdeckte Datenerhebung kommt daher nur in Betracht, falls sich weniger belastende Formen der Datenerhebung als nicht effektiv erweisen.
d) Die angegriffene gesetzliche Regelung ist verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Schwere der Einbuße an grundrechtlich geschützter Freiheit steht in keinem unangemessenen Verhältnis zu den Gemeinwohlzwecken, denen die Grundrechtsbeschränkung dient.

Das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne verlangt, dass die von der Regelung ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen für die Betroffenen noch in einem angemessenen und vernünftigen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen. Dies erfordert eine Güterabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, die vorrangig dem Gesetzgeber obliegt (VerfGH RP, AS 31, 348 [361]). Dabei ist bedeutsam, wie viele Personen wie intensiven Beeinträchtigungen ausgesetzt sind und ob diese Personen hierfür einen Anlass gegeben haben. Das Gewicht der Beeinträchtigung hängt davon ab, ob die Betroffenen als Person anonym bleiben, welche Umstände und Inhalte der Kommunikation erfasst werden können und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aus der Überwachungsmaßnahme drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden müssen (vgl. BVerfGE 100, 313 [376]; 109, 279 [353]; BVerfG NJW 2006, 1939 [1942]).
Die Durchführung einer akustischen und optischen Wohnraumüberwachung kann in erheblichem Umfang solche Personen betreffen, die in keiner Beziehung zur Verursachung der Gefahrenlage stehen, deren Abwehr die Datenerhebung dienen soll, und die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben. Dazu gehören die Gesprächspartner des von einer Wohnraumüberwachung Betroffenen, andere Personen, die sich in dessen Wohnung vorübergehend oder dauerhaft aufhalten, und nicht zuletzt auch diejenigen, die von Überwachungsmaßnahmen in Büro- und Geschäftsräumen betroffen werden. Wird die Kommunikation Unbeteiligter erfasst, so schafft die Wohnraumüberwachung für sie das Risiko, Gegenstand staatlicher Ermittlungen zu sein, das zu dem allgemeinen Risiko hinzutritt, einem unberechtigten Verdacht ausgesetzt zu werden (vgl. BVerfGE 107, 299 [321]; 109, 279 [353]). Zudem betrifft insbesondere die heimliche Überwachung des nicht öffentlich gesprochenen Wortes in Wohnungen nicht nur den Einzelnen, sondern kann sich auch auf die Kommunikation der Gesellschaft insgesamt auswirken. Gerade von der Möglichkeit zur akustischen Wohnraumüberwachung können Einschüchterungseffekte ausgehen, denen insbesondere auch ein Unbeteiligter ausgesetzt ist, weil auch er nach den gesetzlichen Regelungen jederzeit und ohne sein Wissen von einer Überwachungsmaßnahme betroffen werden kann. Allein die Befürchtung einer Überwachung kann aber schon zu einer Befangenheit in der Kommunikation führen. Art. 7 LV schützt den Einzelnen vor staatlichen Eingriffen in die räumliche Privatsphäre und gewährleistet damit in seinem objektivrechtlichen Gehalt die Vertraulichkeit der Kommunikation auch in ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung (vgl. BVerfGE 109, 279 [354 f.]). Gleichwohl erweist sich das Verhältnis zwischen dem Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung und dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr in der Ausgestaltung, die es durch
§ 29 POG erfahren hat, als angemessen.

Das Erreichen der Einschreitschwelle ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 POG geknüpft an das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr. Es setzt damit ein Eingriffsniveau voraus, bei dessen Vorliegen der Verfassungsgesetzgeber selbst gemäß Art. 7 Abs. 3 LV in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 GG n.F. unter Abwägung der zwangsläufigen Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und des beabsichtigten Schutzes hochrangiger Rechtsgüter andererseits eine Wohnraumüberwachung als zulässig erachtet. Soweit sich die Überwachungsmaßnahme gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG gegen einen Verhaltens- oder Zustandsstörer nach §§ 4 und 5 POG richtet, hat der Betreffende zudem im Vorfeld einen zurechenbaren Anlass gegeben, der die Durchführung einer so schwerwiegenden Gefahrenabwehrmaßnahme zum Schutz der angesprochenen hochrangigen Rechtsgüter rechtfertigt.
Zulässig ist auch die Durchführung einer Wohnraumüberwachung, die nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 POG den durch § 7 POG angesprochenen Personenkreis betrifft, d.h. so genannte nicht verantwortliche Personen. Insoweit hat der Gesetzgeber eine die Angemessenheit der gesetzlichen Ermächtigung noch wahrende Einschränkung getroffen, da Maßnahmen gegen die Betreffenden gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 POG erst dann gerichtet werden dürfen, wenn sie gegen die nach den §§ 4 oder 5 POG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Sie werden daher nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen sein.
Es ist von Verfassungs wegen ebenfalls nicht zu beanstanden, wenn § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG eine Überwachung des Wohnraums von Kontakt- und Begleitpersonen im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 2 POG ermöglicht. Dabei handelt es sich um Personen, die mit einer anderen Person, bei der durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie zukünftig Straftaten begeht, in der Weise in Verbindung stehen, dass durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte für ihren objektiven Tatbezug sprechen. Zwar knüpft die Bestimmung in zweifacher Hinsicht an das bloße Vorliegen durch Tatsachen begründeter Anhaltspunkte an, nämlich sowohl hinsichtlich des objektiven Tatbezugs der Kontakt- und Begleitperson als auch der zukünftigen Straftatbegehung durch eine hierzu verdächtige Person, und sieht damit vom Bestehen tatsächlicher Gewissheit ab. Dennoch bewirkt diese Kumulierung durch Tatsachen begründeter Anhaltspunkte und ihre Verknüpfung mit der Planung von Straftaten keine verfassungsrechtlich bedenkliche Verlagerung der Eingriffsbefugnis schon in das Vorfeld einer drohenden Rechtsgutverletzung. Auch die Wohnraumüberwachung einer Kontakt- und Begleitperson steht nämlich unter der unerlässlichen Voraussetzung des Vorliegens einer dringenden Gefahr für ein hochrangiges Rechtsgut im Sinne des § 29 Abs. 1 POG, deren Abwehr der Grundrechtseingriff dienen soll. Die damit verbundenen hohen inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen hinsichtlich der Bedeutung des betroffenen Rechtsguts und des Grads der Wahrscheinlichkeit seiner Gefährdung rechtfertigen den Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen nach Art. 7 Abs. 3 LV auch dann, wenn es sich bei den Betroffenen um Kontakt- und Begleitpersonen handelt. Denn die gesetzliche Ermächtigung gewährleistet eine durch eine hinreichende Tatsachenbasis belegte Nähebeziehung des durch die Anordnung einer Wohnraumüberwachung Betroffenen zu der damit verbundenen Rechtsgutverletzung (vgl. BVerfGE 100, 313 [395]; 110, 33 [58 ff.]; BVerfG NJW 2006, 1939, 1946). Darüber hinaus setzt § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG als zusätzlichen einschränkenden Maßnahmezweck die Verhinderung von besonders schweren Straftaten nach § 29 Abs. 2 POG voraus. Damit übernimmt die Regelung Elemente des Art. 13 Abs. 3 GG n.F., der die Durchführung einer Wohnraumüberwachung zu Strafverfolgungszwecken an den durch Tatsachen begründeten Verdacht koppelt, dass jemand eine besonders schwere Straftat begangen hat. Von der besonderen Schwere einer Straftat im Sinne der genannten Regelung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls dann auszugehen, wenn sie der Gesetzgeber mit einer höheren Höchststrafe als fünf Jahre Freiheitsstrafe bewehrt hat (BVerfGE 109, 279 [347 f.]). Dieser Anforderung genügt der Straftatenkatalog des § 29 Abs. 2 POG ausnahmslos. Dient die Wohnraumüberwachung aber sowohl der Verhinderung einer besonders schweren Straftat, die sogar den Anforderungen des Art. 13 Abs. 3 GG n.F. genügt, als auch der Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des Art. 7 Abs. 3 LV in Verbindung mit Art. 13 Abs. 4 GG n.F., bekräftigt das zusätzliche Erfordernis der Verhinderung von besonders schweren Straftaten den Grundrechtsschutz der von einer Wohnraumüberwachung betroffenen Kontakt- und Begleitperson nachhaltig. Die Regelung trifft daher einen angemessenen Ausgleich zwischen den abzuwägenden Rechtsgütern.

4. Die Regelungen in § 29 POG erfüllen die Anforderungen, die Art. 7 Abs. 1 LV an die Normenbestimmtheit und Normenklarheit von Eingriffsbefugnissen in die Unverletzlichkeit der Wohnung richtet. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Anknüpfens an eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit (§ 29 Abs. 1 Satz 1 POG) als auch für den Begriff der Kontakt- und Begleitpersonen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG).

Grundlage des Bestimmtheitsgebots ist vorliegend Art. 7 Abs. 1 LV selbst (vgl. BVerfGE 110, 33 [52 ff.]; 113, 348 [375]). Das Gebot soll sicherstellen, dass der betroffene Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen kann, die gesetzesausführende Verwaltung für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfindet und die Gerichte die Rechtskontrolle wirksam durchführen können. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung bereichsspezifisch, präzise und normenklar festgelegt werden. Bei Ermächtigungen zu Überwachungsmaßnahmen verlangt das Bestimmtheitsgebot, dass die betroffene Person erkennen kann, bei welchen Anlässen und unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten mit dem Risiko der Überwachung verbunden ist (BVerfGE 110, 33 [53 f.]; 113, 348 [375 f.]).
a) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ermöglicht es das Tatbestandsmerkmal der „dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit„ dem Bürger, sich auf mögliche Maßnahmen der Wohnraumüberwachung einzustellen. Es geht nämlich - anders als in der von ihm in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 113, 348) - nicht um Maßnahmen zur Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten und damit um ein Tätigwerden im Bereich der Vorfeldermittlung mit dem besonders hohen Risiko einer Fehlprognose, sondern um Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, bei denen an die hierzu entwickelten Kriterien angeknüpft werden kann (BVerfGE 113, 348 [377 f.]). Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Wohnraumüberwachung gerade das Erfordernis einer dringenden Gefahr ausdrücklich als einfachrechtlich zwingend geboten erachtet für die Übermittlung von strafprozessual gewonnenen Informationen an Polizeibehörden zu Gefahrenabwehrzwecken (BVerwGE 109, 279 [379]). Des Weiteren ist der Begriff durch die Rechtsprechung zu Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 3 GG a.F. hinreichend konturiert, wonach eine dringende Gefahr gegeben ist, wenn bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Schädigung eines wichtigen Rechtsguts droht (BVerwGE 47, 31 [40]).
b) Ferner genügt die Regelung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 POG, die zur Wohnraumüberwachung bei Kontakt- und Begleitpersonen ermächtigt, soweit die Datenerhebung zur Verhinderung von besonders schweren Straftaten nach § 29 Abs. 2 POG erforderlich ist, dem Bestimmtheitsgebot . Der Begriff der „Kontakt- und Begleitperson„ wird in § 26 Abs. 3 Satz 2 POG gesetzlich definiert. Der insoweit erhobene Vorwurf, es sei völlig unklar, wie eng die Verbindung der Kontakt- und Begleitperson zu der einer künftigen Straftat verdächtigen Person sein müsse, ist nicht gerechtfertigt. Bereits der Begriff der „Tatsachen„, die begründete Anhaltspunkte für einen objektiven Tatbezug belegen müssen, ist isoliert betrachtet hinreichend bestimmt (BVerfGE 113, 348 [378]). Die Verknüpfung mit einem objektiven Straftatenbezug ist aber auch im Gesamtzusammenhang der Regelung des § 29 Abs. 1 POG hinreichend deutlich. Sie ist sowohl hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit einer Straftatenbegehung als auch in zeitlicher Hinsicht durch das Gesetz eindeutig konkretisiert. Auch die Datenerhebung bei einer Kontakt- und Begleitperson setzt die Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 POG voraus. Dadurch wird die Zulässigkeit unbeschränkter Ermittlungen im Vorfeld einer Straftatenbegehung erkennbar ausgeschlossen. Es geht daher nicht um die Vorverlagerung des Eingriffs in eine Phase, in der sich die Konturen eines Straftatbestandes noch nicht abzeichnen und das Überwachungsrisiko für Betroffene mangels eindeutiger Tatbestandsmerkmale nicht ersichtlich ist. Vielmehr können sich als Kontakt- und Begleitperson Betroffene aufgrund des Anknüpfens sowohl an das Vorliegen einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit als auch zusätzlich an die Verhinderung von besonders schweren Straftaten im Sinne des detaillierten Katalogs des § 29 Abs. 2 POG ausreichend auf die Möglichkeit von Maßnahmen der Wohnraumüberwachung einstellen. Der Gesetzgeber ist damit seiner Aufgabe nachgekommen, die Voraussetzungen und Grenzen des Grundrechtseingriffs festzulegen und entsprechende eingriffsbeschränkende Maßstäbe zu schaffen (BVerfGE 113, 348 [379]).

IV. Anmerkungen
Es handelt sich bei diesem Urteil des VerfGH Rheinland-Pfalz - soweit ersichtlich - um die erste höchstrichterliche Bewertung einer polizeirechtlichen Regelung des sog. „großen Lauschangriffs„ nach dem Urteil des BVerfG zur damaligen Regelung des § 100c StPO1. Die Entscheidung des VerfGH setzt sich zunächst mit der Frage der Gesetzgebungskompetenz des Landes und damit verbunden der Abgrenzung präventiv polizeilichen Handelns zur Strafverfolgung auseinander, sodann werden die Befugnisse des neu gefassten § 29 POG2 an den Erfordernissen aus Art. 7 Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV) und Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung), insbesondere in Bezug auf den aus der Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 LV, Art 1. GG) erwachsenden Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung gemessen. Das Gericht arbeitet hier den gefahrenabwehrenden Charakter der Norm heraus, wenn es in seiner Entscheidung auf die hier verwendeten Begriffe „Abwehr„, „Verhinderung„ und „dringende Gefahren„ ausführlich eingeht. Die hierdurch festgelegte hohe Einschreitschwelle entspricht nach Auffassung des Gerichts dem Schutzniveau des Art. 7 LV und Art. 13 GG für die Unverletzlichkeit der Wohnung. Dies gilt auch für den Kernbereich privater Lebensgestaltung, da in § 29 Abs. 4 Satz 1 POG der unverzügliche Abbruch der Überwachung angeordnet wird, sofern sich tatsächliche Anhaltspunkte für die Erfassung von Daten ergeben, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. Die automatisierte Speicherung erhobener Daten, die nach § 29 Abs. 4 Satz 2 POG von der Verpflichtung zum Abbruch nach Satz 1 unberührt bleibt, ist nach Auffassung der VerGH ebenfalls (landes- und bundes-)verfassungsrechtlich unbedenklich. Demnach ist das sog. „Richterband„ zulässig, da bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Erhebung kernbereichsrelevanter Daten die Anordnung einer automatisierten Speicherung von vornherein ausgeschlossen ist, eine gleichwohl erfolgte unzulässige automatisierte Speicherung einem Verwertungsverbot unterliegt und, u.a. in § 29 Abs. 8 POG, besondere verfahrensrechtliche Sicherungen das Risiko einer Erhebung kernbereichsrelevanter Daten kompensieren.3 Die Ausführungen zum „Richterband„ gewinnen vor dem Hintergrund der Überlegungen zum sog. „großen Lauschangriff„ im Zusammenhang mit einem neuen BKA-Gesetz besondere Bedeutung. Auch dort wird an eine Einführung eines „Richterbandes„ gedacht, um so den Bedenken des BVerfG zu begegnen4. Jedoch wird hier zu berücksichtigen sein, dass bei der Argumentation des VerfGH Rheinland-Pfalz der präventiv-polizeiliche Charakter der Maßnahme eine entscheidende Bedeutung hat.

V. Fundstellenn
Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, wwww.justiz.rlp.de  (Mehr...)
LKRZ, Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, Heft 5/2007, S. 182 – 188.

Fußnoten
1 BVerfGE 109, 279 ff.
2 Zum Gesetzgebungsverfahren vgl. Rolf Meier, Andreas Peilert „Die verdeckte präventiv-polizeiliche Wohnraumüberwachung in Rheinland-Pfalz„, in: Die Kriminalpolizei 2005, S. 82 – 89; zur Problematik des § 29 POG in der Fassung des Gesetzes vom 02.03.2002 vgl. Lars Brocker, Monika Zartmann „Die verdeckte Datenerhebung aus Wohnungen zur Abwehr dringender Gefahren„ in: DRiZ 2005, S. 108.
3 Zur Problematik ausführlich Volker Perne „Richterband und Kernbereichsschutz – Zur verfassungsrechtlichen Problematik des nachträglichen Lauschens und Spähens durch den Richter„ in: DVBl 2006, S. 1486 – 1491.
4 FR-online.de, Dokument vom 15.07.2007 um 17:53:03,http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1173379