Prävention

Wer, wenn nicht wir?

Schülerbilder gegen Gewalt und Rassismus

Der Name ist Programm: „Wer, wenn nicht wir? - Schülerbilder gegen Gewalt und Rassismus„ lautet der Titel eines Projektes, mit dessen Hilfe mobil gemacht werden soll gegen die zunehmende Gewalt und den wachsenden Rassismus

Silvia Izi
Grafikerin und Initiatorin
der bundesweiten
Wanderausstellung
Wer, wenn nicht wir?

Angefangen hat die bundesweite Erfolgsgeschichte des Projektes 1992 mit 350 Bildern aus 12 Ludwigshafener Schulen. Inzwischen sind mehrere Tausend Bilder aus rund 260 Schulen zusammen gekommen. 78 mal tourte die Ausstellung bisher quer durch Deutschland. Auch im Europäischen Parlament in Straßburg sowie im Kulturzentrum von Valletta in Malta war sie zu sehen.

Wandern und wachsen heißt die Devise, denn die Ausstellung wird nur dort gezeigt, wo sich Schulen vor Ort mit eigenen Bildern beteiligen. Dadurch wird die Ausstellung ständig erweitert und bereichert und bleibt stets aktuell. Gleichzeitig ermöglicht dies Vorgehen langfristig eine größtmögliche Breitenwirkung. Durch die Aufnahme ihrer Arbeiten in die Wanderausstellung erfahren die SchülerInnen eine unmittelbare Würdigung. Und indem die Ausstellung ständig auf Wanderschaft ist, bleiben die Bilder im Gedächtnis. Dies strahlt in die Schule zurück und kann pädagogisch genutzt werden. Nicht nur die Qualität der Schülerkunst, sondern auch der Impetus für das kreative Engagement sind gefragt. Was Schülerinnen und Schüler wie Lehrerinnen und Lehrer anspricht, ist die nicht konsumierende, nicht rezipierende, sondern die produktive Art des Umgangs mit dem Thema. Die eigenständige künstlerische Gestaltung der SchülerInnen sei viel wirkungsvoller als jede noch so eindringliche Belehrung von Lehrerseite, da Kinder und Jugendliche sich mit dem von ihnen selbst Produzierten viel stärker identifizieren, bestätigen Pädagogen.


Verena Becker, 12. Kl. Friedrich-Spee-Gymnasium Trier


Auch 2008 ist die Ausstellung unterwegs. Im Mai ist „Wer, wenn nicht wir? in der „Phantastischen Bibliothek“ in Wetzlar zu sehen und im Juni anlässlich der Bad Hersfelder Festspiele in der Gesamtschule Geistal. Kooperationspartner für die beiden Ausstellungen sind LehrerInnen und SchülerInnen dieser Gesamtschule.

Wichtig bei der künstlerischen Bearbeitung des Themas Gewalt und Rassismus ist es, im Erfahrungsbereich der Jugendlichen anzusetzen. Über die Medien vermittelte Gewalt, wie wir sie fast täglich sehen, ohne unmittelbar betroffen zu sein, ist zwar Realität aus zweiter Hand. Aber, wie der Medienpädagoge Klaus Hurrelmann feststellt, Kriegsereignisse oder Ausschreitungen von kriegsähnlichem Charakter wie brennende Häuser, verletzte oder getötete Menschen, können zu beängstigenden und bedrohlichen Erlebnissen für Kinder und Jugendliche werden. In den Nachrichtensendungen sehen sie Bilder des Grauens. Sie erfahren, dass Freunde und Nachbarn aufgrund von Behinderungen, wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion oder Kultur von anderen zu Feinden erklärt und zu Opfern von Agression und Gewalt werden. So sind laut Hurrelmann Kinder und Jugendliche empfindliche Seismographen für politische Ereignisse geworden und tragen ihre Sorgen, Nöte und Konflikte in die Schule hinein. Ohnmachtsgefühle und Zukunftsängste können dazu führen, vereinfachte Orientierungen und fundamentalistische Wertsetzungen zu übernehmen. Damit ist ein Nährboden für extremistische politische und religiöse Einstellungen gegeben.


Alexander Klamroth, Königin-Luise-Gymnasium, 7. Kl. Erfurt


Susanne Tropartz, 3. Kl., Grundschule Tempelhoferstraße Dessau


Franziska Gallert, 10. Kl. Mittelschule Olbernhau/Sachsen


Hier setzt nun das pädagogische Konzept dieses künstlerischen Projekts an. Ästhetische Bildung erfolgt in der Schule vorwiegend im Kunstunterricht. Den Kindern und Jugendlichen wird Gelegenheit gegeben, ihre Gedanken, Gefühle und Visionen in einer künstlerisch universellen Sprache auszudrücken. Mit den Ausstellungen werden diese von den Medien aufgegriffen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Mit der ständigen öffentlichen Präsenz der Bilder und Objekte entsteht ein Forum politischer Diskussion. Es führt im besten Fall dazu, dass Gewalt und rassistische Ausschreitungen nicht nur genauer wahrgenommen werden, sondern man auch empfindlicher auf sie reagiert, dass Vorurteile gegenüber Menschen anderer Kulturen und Religionen hinterfragt, dass aber auch gemeinsame Werte erkannt und ausgebaut werden.

Auf der Website www.werwenn.de  gibt es ausführliche Informationen über das Projekt. Alle beteiligten Schulen sind aufgeführt, Ausstellungsdaten werden bekannt gegeben und natürlich ist eine Auswahl der Bilder zu sehen.

Doch wie wird das Thema von den SchülerInnen umgesetzt? Oft in Form von kleinen Geschichten. Da sind Geschichten von der Bedeutung des Menschen, seinen Sehnsüchten, seinem Verlangen nach Nähe und Geborgenheit, aber auch eigene Gewalterfahrungen werden verarbeitet. Je nach Altersgruppe werden andere inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Zeigen die Jüngeren in ihren Bildern überwiegend spielerische Situationen, so bevorzugen ältere Jugendliche Symbolzeichen oder bringen gesellschaftskritische Elemente auch in provozierender Form ein.

Häufig spricht aus den Bildern die Hoffnung auf eine Welt, in der statt Gewalt und Hass Friede und Toleranz das Leben der Menschen prägen. Das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturen wird überwiegend als Bereicherung und nicht als Bedrohung gesehen. Manche Bilder fordern uns eindringlich auf nicht wegzuschauen, wenn Menschen angegriffen oder beleidigt werden.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die Kinder und Jugendlichen das Thema Gewalt und Rassismus sowohl inhaltlich wie formal bewältigen. Das gleichnamige Buch zur Ausstellung, erschienen im Hermann Schmidt Verlag Mainz, zeigt einen Ausschnitt dieser verblüffenden und anrührenden Vielfalt. Schülerinnen und Schüler eines Trierer Gymnasiums verfassten in Schreibwerkstätten unter Anleitung ihrer Lehrerinnen und Lehrer Texte zu ausgesuchten Bildern aus der Ausstellung und entwickelten daraus eine Multi-Media-Projektion in Form einer CD-ROM.

Als work in progress und mobile Demonstration gelingt es dieser bundesweiten Wanderausstellung, den Betrachter emotional zu berühren und ohne moralischen Fingerzeig zu sensibilisieren. Die deutsche UNESCO-Kommission hat diese einmalige und erfolgreiche Wanderausstellung als offiziellen Beitrag zur internationalen Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit zugunsten der Kinder dieser Welt (2001-2010) anerkannt.

Zur Unterstützung der Ausstellung können Sie, die Leserinnen und Leser, aus einer Bildergalerie Ihr Lieblingsbild auswählen. Unter den Bildern gibt es die Möglichkeit, eine Bewertung vorzunehmen. Das Bild mit der besten Bewertung wird von der Redaktion „Die Kriminalpolizei“ prämiiert und veröffentlicht. Die Bildergalerie finden Sie ab dem 15. Juni 2008 unter www.kriminalpolizei.de/werwenn.