Sonderlage

Interview mit der Generalbundesanwältin

Monika Harms

Frage:Sehr geehrte Frau Harms, Sie sind ab 1. Juni 2006 die erste Generalbundesanwältin der Bundesrepublik Deutschland. Welche Gründe waren ausschlaggebend dafür, Ihre ausgesprochen erfolgreiche Richterkarriere beim Bundesgerichtshof zu beenden und dieses mit hoher persönlicher Gefährdung verbundene Amt zu übernehmen?
Das Amt der Generalbundesanwältin ist sicher eines der anspruchsvollsten und schwierigsten in der deutschen Justiz. Es ist die wohl bedeutendste Schalt- und Schnittstelle zwischen den Gerichten, der Politik und den Sicherheitsbehörden in unserer Republik. Diese exponierte Funktion bringt es gewissermaßen zwangsläufig und von Berufs wegen mit sich, „zwischen allen Stühlen zu sitzen“. Eine solch permanente persönliche Herausforderung und die damit verbundene Verantwortung für unser Gemeinwesen mögen viele als Bürde empfinden, für mich ist es eine Ehre gewesen, mich für dieses Amt entscheiden zu dürfen. Die persönliche Gefährdung und die aus den Schutzvorkehrungen resultierenden Einschränkungen sind Begleiterscheinungen und hinzunehmen. Ohnehin bleibt angesichts der tagtäglichen Arbeitsbelastung keine Zeit darüber zu sinnieren, und im Übrigen gehöre ich zu der eher unerschrockenen Sorte Mensch.

Frage: Wird es eine speziell frauliche Ausrichtung ihrer Amtsführung geben?
Natürlich „ja“, weil ich nun mal eine Frau bin und gleichzeitig natürlich „nein“, weil die Aufgabenerfüllung nicht nach dem Geschlecht der Behördenleitung fragt. Angesichts der bedeutenden Zahl von Justizministerinnen in Bund und Ländern habe ich allerdings den Eindruck, dass gerade die Justiz schon seit geraumer Zeit Spitzenpositionen an Frauen vergibt und das mit großer Selbstverständlichkeit und mit viel Erfolg. Ich bin die erste Frau, die eine Behörde leitet, deren gesetzliche Bezeichnung „Der Generalbundesanwalt“ lautet, ohne dass mir das Kopfzerbrechen bereiten würde, zumal sich im täglichen Sprachgebrauch der Begriff „Bundesanwaltschaft“ zunehmend durchsetzt.

Werdegang

Monika Harms
geboren am 29. September 1946
in Berlin,
aufgewachsen seit 1950 in
Frankfurt am Main,
dort Abitur am 15. Februar 1966,
verheiratet


Beruflicher Werdegang:
Studium der Rechtswissenschaften

1966/67
Ruprecht-Karl-Universität Heidelberg

1968 - 1971 Universität Hamburg

April 1971
Erstes Juristisches Staatsexamen in Hamburg

Mai 1971 - März 1974
Referendarausbildung in Hamburg

März 1974
Zweites Juristisches Staatsexamen in Hamburg

Mai 1974 - April 1980
Staatsanwaltschaft Hamburg
Schwerpunkt Wirtschaftsstrafsachen

April 1980 - Oktober 1983
Landgericht Hamburg
Große Jugendstrafkammer, daneben Zivilkammer

Oktober 1983 - Dezember 1987
Finanzgericht Hamburg
Richterin am Finanzgericht
(Ertragsteuern, Zoll- und Verbrauchsteuern/EG-Recht)

Ende Dezember 1987
Ernennung zur Richterin am Bundesgerichtshof, 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (u. a. Staatsschutzsachen und seinerzeit Steuer- und Zollstrafsachen), Karlsruhe

1. Oktober 1990
Wechsel zum 5. (Berliner) Strafsenat
(insbesondere wegen Steuer- und Zollstrafsachen); seitdem auch Mitglied des Senats für Steuerberater-
und Steuerbevollmächtigtensachen sowie des Senats für Wirtschaftsprüfersachen

1996
Stellvertretende Vorsitzende der vorstehend genannten Senate

Sommer 1997
Umzug des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nach Leipzig

Mai 1999
Ernennung zur Vorsitzenden Richterin am Bundesgerichtshof; seitdem Vorsitzende des 5. (Leipziger) Strafsenats, des Senats für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen sowie des Senats für Wirtschaftsprüfersachen

seit 1. Juni 2006
Generalbundesanwältin beim Bundesgerichtshof
Dozentin an der Bundesfinanzakademie in Brühl seit 1990;
Lehraufträge an den Universitäten TU Dresden und Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg;
Mitherausgeberin der Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht wistra und der Zeitschrift Praxis Steuer-strafrecht;Vortragstätigkeit im Bereich Steuer- und Zollstrafrecht;

Frage: Wo sehen Sie die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Ich bitte um Verständnis, wenn ich Ihnen jetzt nicht eine Art Regierungsprogramm präsentiere. Als Beamtin wie schon als Richterin steht für mich die Aufgaben- und Pflichterfüllung im Vordergrund. Diese ergibt sich aus der gesetzlichen Zuständigkeitszuweisung, ohne dass innerhalb dieser breiten Aufgabenpalette eine Priorisierung besteht. Die Öffentlichkeit nimmt regelmäßig nur die spektakulären Ausschnitte unserer Tätigkeit wahr - Terrorismus-, Spionage- und Proliferationssachverhalte oder publikumswirksame Strafverfahren wie den Fall Mannesmann in jüngster Zeit. Darüber hinaus habe ich mich aber auch um das nicht minder wichtige Alltagsgeschäft zu kümmern. Die Arbeit meiner Revisionsabteilung ist für die fünf Strafsenate des Bundesgerichtshofes von unverzichtbarer Bedeutung. Meine Dienststelle Bundeszentralregister in Bonn mit etwa 400 Mitarbeitern gewährleistet einen technisch hochmodernen Servicebetrieb, ohne den Justiz und allgemeine Verwaltung in Deutschland nicht auskämen. Dieser Bereich, der über die Zuständigkeiten für internationale Kindesentführungen, Adoptionen und Unterhaltssachen zunehmend grenzüberschreitende Dimensionen aufweist, wird aktuell auf völlig neue organisatorische Füße gestellt und in ein Bundesamt für Justiz überführt. Die damit verbundenen personellen und haushalterischen Fragen bedürfen meiner intensiven Aufmerksamkeit.
Gleichzeitig bin ich mir bewusst, dass Fragen der inneren und äußeren Sicherheit, die sich zunehmend überschneiden, stets im besonderen Fokus der Öffentlichkeit stehen werden. Hier gilt es, immer am Ball zu bleiben, gleich ob die Bedrohung von rechten oder linken Extremisten ausgeht oder ob sie von internationalen, insbesondere islamistischen Terroristen herrührt. Ein Nachlassen des Verfolgungsdruckes wird es nicht geben, in keinem Bereich.

Frage: Wie beurteilen Sie das Verhältnis Justiz und Polizei?
Ausgesprochen positiv. Die Leistungen der deutschen Polizei sind beeindruckend. Besonders augenfällig ist das bei der hinter uns liegenden Fußballweltmeisterschaft geworden. Die Strategie, die Konzepte, deren praktische Umsetzung und der tausendfache persönliche Einsatz der Beamtinnen und Beamten verdienen höchste Anerkennung.
Die Zusammenarbeit der Bundesanwaltschaft mit dem Bundeskriminalamt und den Polizeien der Länder, insbesondere den Landeskriminalämtern gründet sich auf jahrzehntelange Erfahrung und gegenseitige Wertschätzung und sie verläuft so wie unsere Bevölkerung es erwarten darf, nämlich geräuschlos und effektiv. Ganz besonders begrüße und unterstütze ich Einrichtungen neuer Form und gemeinsamer Art überall da, wo die Gegebenheiten es erfordern. Ich denke hier z.B. an das gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Berlin-Treptow, das alle Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder unter Beteiligung des Generalbundesanwalts verknüpft, um der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus wirksam entgegen zu treten. Hier werden die rechtlichen und tatsächlichen Handlungsspielräume des Staates höchst sinnvoll genutzt und effektiv gebündelt mit dem Ziel, Terroranschläge zu verhindern.
Es gehört durchaus Mut zur Verwirklichung solch neuartiger Ansätze und Modelle, weil wir uns unter Umständen auch von hergebrachten Denkmustern verabschieden müssen. Sie werden mich immer an der Seite derjenigen finden, die bereit sind, neue Wege zu gehen, wenn dies auch aus Sicht der Strafverfolgung erforderlich ist.