Sonderlage

Die FIFA-WM 2006 in Kaiserslautern

Eine Nachbetrachtung zu einem gelungenen PolizeieinsatzPublic Viewing und Fanmeilen – neue Herausforderungen für die Polizei
Von Jürgen Schmitt, Polizeidirektor, Polizeipräsidium Westpfalz


Jürgen Schmitt Polizeidirektor Polizeipräsidium Westpfalz

Inhalt

1. Vorbemerkungen
2. Die WM-Stadt Kaiserslautern
3. Public Viewing und Fanmeilen – Zuschauermagnete und polizeiliche Schwerpunkte
4. Der Polizeieinsatz in Kaiserslautern
4.1 Vorbereitung und Organisation des Polizeieinsatzes
Projektorganisation mit den Projektgruppen WM 2006 und FEM 2006
4.2 WM-spezifische Fortbildungsmaßnahmen
4.3 Sicherheitskonzeption der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz anlässlich der Fußball-WM 2006
„Drei-Säulen-Modell“
Auftreten und Verhalten der Polizei
Straftaten mit WM-Bezug
4.4 Verkehrsmaßnahmen
Gemeinsame Verkehrsleitstelle
Park & Ride – System
Anreise mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
Anreise mit dem Fugzeug über Frankfurt-Hahn
4.5 Sicherheit im Fritz-Walter-Stadion
Sektorentrennung / Fanführung
Stadionordnung
5. Zusammenarbeit mit dem WM-Büro der Stadt Kaiserslautern
5.1 Videoüberwachung
5.2 Gemeinsames Call-Center Stadt – Polizei
5.3 Allgemeinverfügung „Glasfreie Innenstadt“
6. Fazit


1. Vorbemerkungen
„Deutschland. Ein Sommermärchen“, der WM-Film von Sönke Wortmann, beschreibt die schönsten Bilder der WM1 und bringt die Eindrücke und Stimmungen von 31 Tagen weltmeisterlicher Begeisterung pur zurück. Innerhalb kürzester Zeit erzielte der Film Rekordzuschauerzahlen, wie dies bei den Weltfußballspielen in Deutschland der Fall war.

Nachbetrachtungen thematisieren ein vergangenes, regelmäßig abgeschlossenes Ereignis, hier die FIFA-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und insbesondere in Kaiserslautern. Vielfach kann jedoch durchaus der Eindruck entstehen, dass diese WM 2006 in Deutschland noch überall präsent ist und im Oktober eine erste Renaissance erlebt: „Locker und leicht, enthusiastisch und patriotisch – die Deutschen kennen sich nach einer Woche WM nicht mehr wieder. Sind wir das wirklich? ....Auf einmal sind wir ganz anders, mögen uns und werden gemocht. Hunderttausende feiern in den Straßen in Schwarz – Rot – Gold“. So beschrieb der Kolumnist der FASZ, Markus Wehner, punktgenau die Stimmung nach nur einer WM-Woche.

Speziell die ausländischen Zuschauer und Fans zeigten sich begeistert vom Gastgeberland Deutschland und den Deutschen.
Großbritanniens Premierminister Tony Blair freute sich darüber, dass die englischen Fans ihr schlechtes Image abgelegt hatten. In einem Beitrag für die „Bild am Sonntag“ schrieb er, dass es vielen britischen Fans in Deutschland ausgezeichnet gefallen hat. Insbesondere die Organisation, das einfache Reisen, die tollen Angebote für die Fans mit und ohne Ticket und die Zusammenarbeit der deutschen und britischen Sicherheitsbehörden erwähnte er lobend.2 Neben vielen anderen gratulierte der UNO-Generalsekretär Kofi Annan den Deutschen. „Der freundschaftliche Geist ist hier wirklich gelebt worden“.
Diese in der Art einmalige Mixtur aus Fußball – Begeisterung – Volksfest und Party war in allen zwölf WM-Städten erlebbar. Diese Nachbetrachtung beleuchtet die WM aus dem Focus der mit Abstand kleinsten WM-Stadt Kaiserslautern. Sie beinhaltet auch ein Plädoyer, künftige sportliche Großveranstaltungen auch in kleineren Städten austragen zu lassen.



2. Die WM-Stadt Kaiserslautern
Fünf Spiele wurden in Kaiserslautern angepfiffen. Die Stadt erlebte begeisterte und begeisternde Fans aus Japan, den USA, Paraguay, Trinidad und Tobago, Spanien und Saudi-Arabien.
Italien und Australien trugen in der Fußball-Hochburg Kaiserslautern ihre Vorrundenspiele aus und bestritten das Achtelfinale. Dabei hinterließen speziell die australischen Fans wohl den positivsten und bleibendsten Eindruck. Hand in Hand mit ihren (Plastik)-Kängurus, den 80er-Klassiker „Beds are burning“ und die inoffizielle Hymne „Waltzing Mathilda“ singend, zogen sie stets friedlich durch die Stadt. An den beiden Spieltagen herrschte und beherrschte das „gelb-grüne“ Down-Under die Stimmung.

Dieses Ereignis hat die Stadt Kaiserslautern und ihre rund 100.000-Einwohner, laut Statistik die kleinste Stadt, in der je ein Achtelfinale anlässlich einer WM ausgetragen wurde, verändert. Insgesamt besuchten während des gesamten WM-Zeitraumes fast eine Million Menschen die Spiele und das Rahmenprogramm in der westpfälzischen Fußballmetropole.

Nie zuvor kamen in so kurzer Zeit so viele Menschen in diese Stadt. Das 46.000 Zuschauer fassende Fritz-Walter-Stadion war an allen Spieltagen ausverkauft. „Zeit, dass sich was dreht“ lautet der Titel von Herbert Grönemeyers WM-Song. In Kaiserslautern hat sich vieles drehen müssen und hat sich auch gedreht. Nur so wurde diese WM für Kaiserslautern zu dem was sie war.



3. Public Viewing und Fanmeilen – Zuschauermagnete und polizeiliche Schwerpunkte
Erstmals konnten in Europa (und zum zweiten Mal bei einer FIFA-Weltmeisterschaft) die Menschen alle Spiele live und kostenlos auf den Public-Viewing-Plätzen (PV) miterleben. In Kaiserslautern waren zwei Public-Viewing-Plätze eingerichtet. Als Hauptstätte diente der zentral gelegene Stiftsplatz (Fassungsvermögen 5.000 Zuschauer). Der unweit des Stadions gelegene „Fan-Treff Barbarossastraße“ (Fassungsvermögen 2.500 Zuschauer) sollte sich eher an das jüngere Publikum richten. Hier war auch die Fanbotschaft3 aufgebaut. Beide Plätze wurden als Ausgangs- bzw. Endpunkt in die 1,5 Kilometer lange WM-Meile integriert. Diese WM-Meile, eine Mischung aus Varieté, Straßenkunst, Bühnenprogramm, Live-Acts, Straßenmusikanten, Ess- und Trinkständen sowie Verkaufsbuden war auf einer der Hauptgeschäftsstraßen angelegt. Die gelungene und attraktive Ausgestaltung der WM-Meile, das umfassende kostenlose Rahmenprogramm auf den Bühnen und in den Straßen (mit rund 650 sogenannten Live-Acts) sowie das „Bilderbuchwetter“ an nahezu allen Tagen führten dazu, dass sich an den Spieltagen in der Stadt durchschnittlich 80.000 – 100.000 Gäste aufhielten. Dies bedeutete eine Verdopplung der Einwohnerzahl! Am Samstag, dem 17. Juni 2006, wurde beim Spiel USA – Italien gegen 21.00 Uhr mit rund 120.000 Besuchern ein Rekordergebnis registriert.
Auch an Public Viewing-Tagen ohne Spielbegegnung in Kaiserslautern waren im Schnitt zwischen 10.000 – 50.000 Besucher auf der WM-Meile und den PV-Plätzen unterwegs; Der größte Andrang herrschte bei den Spielen der deutschen Mannschaft.

Das Interesse an den Public Viewing-Veranstaltungen in den anderen rheinland-pfälzischen Oberzentren Mainz, Koblenz, Trier und Ludwigshafen war unterschiedlich. Bei Spielen mit deutscher Beteiligung strömten die Fans vor die Leinwände, so dass einige Veranstaltungsplätze erweitert bzw. zusätzliche Veranstaltungen durchgeführt wurden. Beim Halbfinalspiel der deutschen Mannschaft sahen sich ca. 20.000 Personen in Mainz die Klinsmann-Truppe an. Koblenz meldete bis zu 10.000 Menschen am PV „Deutsches Eck“, eher wenige Fans interessierten sich in Trier und Ludwigshafen für die öffentlichen Live-Übertragungen.

Alle Veranstaltungen verliefen insgesamt friedlich, vor allem größere Auseinandersetzungen blieben aus. Dies ist in erster Linie den hohen Sicherheitsstandards zu verdanken, die bundesweit eingehalten wurden. Die Projektgruppe WM 2006 des UA FEK hatte diese Standards definiert, die Polizeiführer aller zwölf WM-Behörden deren Einhaltung sichergestellt. Neben einer Umfriedung der Public-Viewing-Plätze mit umfänglichen Zugangskontrollen beinhalteten die Empfehlungen eine Begrenzung der Zuschauerzahlen, Verbote für Glasflaschen, Videoüberwachung, etc.


Public Viewing am 14.06.2006


Bundesweit wurden auf den offiziellen Fan-Festen der WM-Städte 18 Millionen Besucher gezählt und damit sechs mal so viel wie in den Stadien. Dass kaum Vorfälle registriert wurden, ist mit diesen Standards zu verdanken.

Public Viewing wird sich bei künftigen sportlichen Großereignissen etablieren. Es gilt, diese Sicherheitsmaßnahmen auch künftig strikt einzuhalten.

Deutschland hat das Public Viewing und die Fan-Feste zu einem Bestandteil der WM–Planung gemacht, der nicht mehr wegzudenken sein wird, folgert denn auch Südafrikas Cheforganisator Danny Jordaan.4

4. Der Polizeieinsatz in Kaiserslautern
Der Polizeieinsatz in Kaiserslautern und insgesamt in Rheinland-Pfalz verlief unter der Gesamtleitung von LPD Hans
Maaßen im Wesentlichen störungsfrei, insbesondere wurden keine hooligantypischen oder sonstigen gewalttätigen, von Gruppen ausgehenden Auseinandersetzungen festgestellt.
Bei einer Gesamtbesucherzahl von fast einer Million Menschen allein in Kaiserslautern blieb die Zahl der Straftaten und Ordnungsstörungen deutlich (!) hinter den Zahlen zurück, die im Zusammenhang mit dem Bundesligabetrieb festzustellen sind. Der polizeiliche Einsatzschwerpunkt konzentrierte sich auf die gefahrlose Steuerung der Menschenmassen.

Die Taktik des bislang größten und zeitlich längsten Polizeieinsatzes in Rheinland-Pfalz und das Verhalten und Auftreten der Beamtinnen und Beamten wurden unisono gelobt.
„Die Besucher waren fröhlich, ausgelassen und vor allem friedlich.“ Ein wichtigter Baustein in dem detailliert geplanten Polizeieinsatz war die sichtbare Präsenz der Polizei im Stadtgebiet. „Wir wollten dass sich die Besucher sicher, aber nicht kontrolliert fühlten – das ist uns gelungen“ resümierte der Kaiserslauterer Polizeipräsident Wolfgang Erfurt.5

Dieses Lob haben sich alle in Rheinland-Pfalz eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auch redlich verdient. Die jederzeitige Ansprechbarkeit, die Freundlichkeit, das Lächeln bei der Auskunftserteilung, das „auf die Menschen zugehen“ aber auch die Konsequenz bei der Störungsbeseitigung verdient Respekt und Anerkennung. Dass dieses Verhalten „rund um die Uhr“ und über 4 ½ Wochen gezeigt wurde, verstärkt das Kompliment.
Nachfolgend sollen exemplarisch einige Besonderheiten dieses Polizeieinsatzes in Kaiserslautern dargestellt werden, die sich positiv auf den gesamten Ablauf auswirkten und damit maßgeblich zum Gelingen beitrugen.

4.1 Vorbereitung und Organisation des Polizeieinsatzes
Projektorganisation mit den Projektgruppen WM 2006 und FEM 2006Durch das Ministerium des Innern und für Sport wurde das Polizeipräsidium Westpfalz mit der Planung und Durchführung des landesweiten Polizeieinsatzes beauftragt. Ziel war es, in Kaiserslautern sehr schnell eine vernetzte Planungsstruktur mit einer engen und kooperativen Zusammenarbeit aller Verantwortlichen herzustellen.
Die Komplexität der Planungsaufgaben konnte am erfolgreichsten im Rahmen eines modernen Projektmanagements bewältigt werden.
Am 30. November 2003 wurde die „Projektgruppe WM 2006“ bei der 1. BPA in Enkenbach-Alsenborn mit einer Geschäftsstelle eingerichtet und mit der Planung des polizeilichen Einsatzes beauftragt.
Nahezu zeitgleich erfolgte am 01. Dezember 2003 bei der Zentralstelle für Polizeitechnik RP die Projektgruppe „FEM 2006“ (Führungs- und Einsatzmittel für die Fußballweltmeisterschaft 2006) mit dem Auftrag der Realisierung der umfassenden technischen Ausstattung, wie beispiels-weise der Modernisierung des Funksystems und Optimierung der Befehlsstelleninfrastruktur, eingerichtet.
In der Rückschau steht fest, dass sich die Planungen in den Strukturen eines modernen Projektmanagements bewährt haben. Als großer Vorteil zeigte sich dabei, den Projektplanern (die Leiter der Haupt- und Teilprojekte) frühzeitig die Verantwortung für die jeweiligen Planungsbereiche als Abschnitts- oder Unterabschnittsleiter im Einsatz zu übertragen.

4.2 WM-spezifische Fortbildungsmaßnahmen
Zur Vorbereitung auf den Großeinsatz gehörten umfassende zentrale und dezentrale Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, von denen nachstehend einige exemplarisch dargestellt werden:

Zweitägiges Fortbildungsseminar:
„Taktik – Einsatzphilosophie – Umgang mit Fremden“
Im ersten Quartal 2006 fanden 2-tägige Seminare für rund 2500 rheinland-pfälzische Einsatzkräfte statt. Alle Teilnehmer wurden mit der Philosophie und Taktik des Einsatzes vertraut gemacht. Daneben wurden Grundsätze zum Umgang mit fremden Kulturen vermittelt und das Auftreten und Erscheinungsbild der Polizei thematisiert. Die Vermittlung der Seminarinhalte erfolgte durch elf Moderatoren-Teams, die sich jeweils aus einem
Moderator der LPS/FHöV und zwei Moderatoren der Behörden und Einrichtungen (BuE) zusammensetzten.
Die Fortbildung erreichte den selbstgestellten Anspruch, so viele Einsatzkräfte wie möglich vor dem eigentlichen Einsatz in einem Seminar umfassend zu informieren. Einhelliges Fazit: Auch zukünftig sollen ähnliche polizeiliche Projekte und Einsätze in dieser Art vorbereitet werden.

Interaktive DVD/CD zur Einsatzvorbereitung
In enger Zusammenarbeit mit der Medienzentrale der Bereitschaftspolizei wurden auf DVD/CD die wesentlichen Elemente des Polizeieinsatzes dargestellt. Diese Medien ersetzten dabei nicht die Einsatzvorbereitungen und Einsatzbesprechungen, unterstützten diese jedoch sinnvoll. Die Nutzer – insbesondere ortsfremde Unterstützungskräfte anderer Präsidien, der Bereitschaftspolizei oder des Saarlandes – konnten sich in der DVD/CD interaktiv durch den Einsatz bewegen. Man sah in verschiedenen Videos die Einsatzschwerpunkte in der Stadt und des Stadions. Die Medien enthielten Zusammenschnitte der Einsatzübungen und gewährten einen Einblick in die Organisation des Einsatzes (BAO-Struktur). Die Philosophie „Die Welt zu Gast bei Freunden“ wurde umfassend transportiert und durch Hinweise und kurze Ansprachen der Gastnationen verdeutlicht.
Die relativ geringen Herstellungskosten begünstigten die Verteilung des Mediums vor dem Einsatz.

Diensthundeausbildung
Für den Einsatz der Diensthunde im Zusammenhang mit Fußballspielen fand eine Überprüfung aus taktischen Gesichtspunkten statt. Die Zielformulierung lautete, einen stressstabilen Diensthund, mit einem gegenüber Menschen und anderen Hunden grundsätzlich neutralem Verhalten auszubilden. Hierzu erfolgte eine Änderung der Diensthundeprüfungsordnung und eine Neuausrichtung der Diensthundeausbildung. Gleichzeitig wurde für die Hundeauswahl ein neues Anforderungsprofil definiert.
Die insbesondere im WM-Einsatz gesammelten Erfahrungen in der optimierten Ausbildung und Anschaffung von Hunden sind ausschließlich positiv zu werten. Die geänderte Ausbildung wird auch nach der WM beibehalten.

5.3 Sicherheitskonzeption der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz anlässlich der Fußball-WM 20066

„Drei-Säulen-Modell“Die polizeiliche Einsatzkonzeption orientierte sich als „Drei-Säulen-Modell“ eng am Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Kernstück war die sichtbare, aber zurückhaltende Präsenz der Sicherheitsorgane. Das angestrebte und im Einsatz auch realisierte Ziel war eine Polizei in Sichtweite der Bürger. So konnte im Innenstadtbereich und speziell auf der WM-Meile „an jeder Ecke“ Sicherheitspersonal wahrgenommen werden.



Dies beschränkte sich nicht nur auf Polizeikräfte des Landes, sondern bezog Bundespolizei, Ordnungsamt, französische Polizei, niederländische Militärpolizei, speziell ausgebildete „Freiwillige“ („Volunteers“) sowie die unterstützenden Delegationen der Polizeien der jeweils an den Spielen beteiligten Staaten ein („Säule 1“).
Die sichtbare Präsenz wurde ergänzt durch eine umfassende Präsenz ziviler Kräfte („unsichtbare Präsenz“). Zu deren Aufgabe gehörte es, Störungen frühzeitig zu erkennen und diese ggf. im Verbund mit anderen Kräften zu beseitigen („Säule 2“). Das Zusammenspiel der sichtbaren und der „unsichtbaren“ Präsenz, welche beide im Einsatzabschnitt Raumschutz installiert waren, funktionierte reibungslos.
Die dritte Säule des Konzeptes bildeten die Interventionskräfte. Durch ihren Einsatzanzug erkennbare Mobile Einsatzgruppen (MEG) des polizeilichen Einzeldienstes und geschlossene Einheiten der Bereitschaftspolizei wurden in der Region und in der Stadt Kaiserslautern für alle erforderlichen Raumschutz- und Fanbegleitungsmaßnahmen lageorientiert eingesetzt.

Auftreten und Verhalten der Polizei
Die Polizei des Landes Rheinland-Pfalz hat die bundesweit gültigen Leitlinien zum Auftreten und Erscheinungsbild in die „Sicherheitskonzeption Fußball-WM 2006“ der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz übernommen und in den Einsatzbefehlen die Bedeutung nochmals ausdrücklich unterstrichen. Auftreten und Erscheinungsbild waren daneben ständiger TOP in den spezifischen Besprechungen sowie Gegenstand in den bereits dargestellten umfänglichen Einsatzvorbe-
reitungen.Im Ergebnis haben sich alle Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten während des gesamten Einsatzes durch ihr positives, offenes, freundliches und zuvorkommendes Auftreten Respekt und Anerkennung verdient. Das Verhalten korrespondierte hierbei mit dem Erscheinungsbild. Auch hier zeichneten sich ausnahmslos alle Beamtinnen und Beamten durch ein einheitliches und lageangepasstes7 Erscheinungsbild aus. Seitens der vielen Besucher8 fand das Verhalten der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten unisono eine lobende Erwähnung.
In vielen Gespräche mit den eingesetzten Beamtinnen und Beamten wurde deutlich, dass diese die Leitlinien und die Bedeutung des Einsatzes verinnerlicht hatten.

Straftaten mit WM-Bezug
Es wurden keine Straftaten mit nachhaltiger Auswirkung auf die Sicherheitslage oder das Sicherheitsgefühl von Gästen, Besuchern und Bevölkerung festgestellt. Der WM-Bezug der meisten Taten resultiert auch nicht aus der unmittelbar mit den Fußballveranstaltungen im Stadion zusammenhängenden Situation sondern aus dem volksfestähnlichen Charakter des Rahmenprogramms.
Ein deutlicher Anstieg der Taschendiebstähle wurde im Vorfeld erwartet, wenn auch nicht in dieser Dimension. Insgesamt wurden im WM-Zeitraum über 180 Taschendiebstähle registriert und damit die übliche Jahresmarge für Kaiserslautern überschritten.
Die deutliche gesteigerte Polizeipräsenz führte daneben trotz gestiegener Tatgelegenheiten zu einem Straftatenrückgang in den meisten Deliktsbereichen.
In qualitativer Hinsicht ist die Lageentwicklung positiv zu bewerten: Es wurden keine Sexualdelikte und keine Raubüberfälle verzeichnet, die Körperverletzungen waren überwiegend geringerer Intensität. Weiterhin konnten auch keine Verdrängungseffekte festgestellt werden.

4.4 Verkehrsmaßnahmen
Das Verkehrskonzept WM 2006 am Austragungsort Kaiserslautern musste aufgrund der veränderten Verkehrsinfrastruktur grundlegend neu konzipiert werden.
Neben der Mitwirkung im Bereich der Verkehrsinfrastrukturplanung lagen die Schwerpunkte der einsatzvorbereitenden Planung in den Bereichen
• Wegeleitung – Umsetzung einer „farbgebundenen Wegweisung“ vom überregionalen Verkehrsnetz über das städtische Verkehrsnetz, die Fußgängerwegeleitung und die Wegeleitung für Bahnreisende
• Konzeption und Aufbau einer temporären Verkehrsleitzentrale
• Konzipierung eines Park & Ride - Systems gemeinsam mit Stadtverwaltung und TWK9 und besonderer Berücksichtigung des Prinzips der frühzeitigen Fantrennung
• Einrichtung einer Protokollstrecke für bevorrechtigte Verkehre von der BAB 6 bis zum Stadion und Anbindung ausreichender Sonderparkplatzkontingente in Stadionnähe
• Konzeptionelle Vorplanung von Eskorten und Lotseneinsätzen sowie Maßnahmenplan bei der Bildung von Autokorsos
• Neukonzipierung der Not- und Rettungswege im Kontext zu dem neu zu erarbeitenden Not- und Katastrophenschutzkonzept
• Gemeinsame Konzeption Verkehrsmanagement Öffentlicher Verkehr mit der Zielrichtung einerseits den Anteil des Besucherverkehrs im ÖV deutlich zu steigern und andererseits ausreichende Kapazitäten im Bus- und Bahnverkehr vorzuhalten.

Gemeinsame Verkehrsleitstelle
Die gemeinsame Verkehrsleitzentrale (Polizei – Stadtverwaltung – TWK – ) war elementarer Bestandteil für die erfolgreiche Einsatzbewältigung. Verkehrsstörungen konnten bereits in der Entstehung erkannt und in unmittelbarer Absprache mit den Entscheidungsträgern beseitigt werden. Die Installation von Verkehrsüberwachungskameras an neuralgischen Knotenpunkten unterstützte und erleichterte die Verkehrslenkung immens.
Äußerst positiv gestaltete sich die unmittelbare Zusammenarbeit mit dem ADAC und dem Südwestrundfunk an Spieltagen. Hierdurch konnten unmittelbar Empfehlungen zur Anreise weitergegeben werden. Der Südwestrundfunk berichtete live und mehrsprachig aus der Verkehrsleitzentrale.

Park & Ride-System
Die hohe Akzeptanz des Park&Ride-Angebotes führte zu einer deutlichen Entlastung des städtischen Verkehrsnetzes. Durchschnittlich waren die angebotenen rund 15.000 Park&Ride-Plätze an Spieltagen knapp zur Hälfte belegt. Einzelne Plätze wiesen Auslastungsquoten von 80-95% aus. Durch die unterstützenden verkehrsregelnden Maßnahmen entlang der Park&Ride-Routen und den relativ geringen Individualverkehr im städtischen Verkehrsnetz konnten relativ kurze Umlaufzeiten für die Park&Ride-Busse erreicht werden, was letztlich der zur Attraktivität des P&R-Service beitrug.

Anreise mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)
Die Verkehrsangebote im ÖPNV wurden sehr gut angenommen. Der Anteil der ÖPNV-Nutzer lag bei durchschnittlich 30 – 40%. Am 17. Juni reisten knapp 30.000 Besucher mit der Bahn an, was zu einer partiellen Überlastung der Bahnhofskapazität führte10. Durch ein vorbereitetes Maßnahmenkonzept von Bundes- und Landespolizei (Konzeption „kontrollierte Abreise“) konnte diese Problematik weitgehend entschärft werden .

Anreise mit dem Flugzeug über Frankfurt-Hahn
Nach Angaben des Flughafenbetreibers Frankfurt-Hahn wurde über den WM-Zeitraum ein Passagieraufkommen von 290.000 Personen registriert, was einem Tagesdurchschnitt von rund 14.000 Fluggästen entspricht. Nach Erhebungen der Bundespolizei und der Einsatzkräfte der Polizeiwache Hahn bei der Einreise wurden bei der Anreise über den Flughafen Hahn etwa 15.000 Fans aus weltweit 22 Nationen verzeichnet. Schwerpunktmäßige Einreise-/Ausreisebewegungen erfolgten allen voran aus England mit rund 7.500 Fans, gefolgt von Portugal (1.500), Spanien (1.100) und Schweden (1.000). Insgesamt ereigneten sich keine nennenswerten Störungen.
Im Ergebnis aller Verkehrsmaßnahmen konnten Störungen weitgehend vermieden werden. Der befürchtete Verkehrsinfarkt trat nicht ein. Vielmehr herrschte bereits eine Stunde nach Spielende ein normaler innerstädtischer Verkehr. Im Ergebnis von Befragungen und Erhebungen waren 80 % der Besucher mit ihrer Anreise zufrieden.11

4.5 Sicherheit im Fritz-Walter-Stadion
Die hohen Sicherheitsstandards am und im Stadion haben sich bewährt. Insbe-sondere die intensiven und umfassenden Kontrollen am sogenannten „äußeren Sicherheitsring“ (inklusive der Tatsache, dass diese im Vorfeld ausgiebig kommuniziert wurden) verhinderten die Zuwanderung von Problemfans sowie das Einschleusen gefährlicher Gegenstände. Auch bei hohem Besucherandrang wurde die Kontrollintensität des Ordnungsdienstes beibehalten. Nur selten war eine Unterstützung durch die Polizei erforderlich, um dem Zuschauerandrang gerecht werden zu können.
In einigen wenigen Fällen fanden Einsatzkräfte bei ergänzenden (erneuten) Durchsuchungen von Personen innerhalb des äußeren Sicherheitsrings verbotene Gegenstände. So wurde beispielsweise bei einem italienischen Fan Pyrotechnik sicher gestellt. Zwei andere Personen hatten sich mit total gefälschten (Phan-tasie)Akkreditierungen Zutritt verschafft. Zur Sicherstellung einer geordneten Entsorgung von Glasgefäßen und anderen Gegenständen, waren große Müllbehälter bereits vor den Einlassstellen aufgestellt. In Kombination mit erläuternden Lautsprecherdurchsagen und Hinweisschildern sowie durch ein Aufstellen weiterer Entsorgungsbehältnisse hinter den Einlassschleusen gestaltete sich dieser Bereich unproblematisch, insbesondere konnte eine mit Verletzungsgefahren verbundene ungeordnete Ablage verhindert werden.



Sektorentrennung/Fanführung
Keines der in Kaiserslautern ausgetragenen Spiele war als Risikospiel eingestuft, so dass die vorgeplante und vorbereitete Sektorentrennung zwischen äußerem und innerem Sicherheitsring nicht aktiviert werden musste.
Im inneren Sicherheitsring erfolgte gemäß übereinstimmender Entscheidung der Verantwortungsträger von Polizei und OK eine Sektorentrennung, weil die besonderen baulichen und geografischen Gegebenheiten in Kaiserslautern dies erforderten. Die Drehkreuze waren einzelnen Sektoren zugeordnet und ausschließlich für Tickets dieses Sektors frei geschaltet. Nach dem Durchschreiten der Drehkreuze war ein Wechsel in eine andere Tribüne nicht möglich. Diese Verfahrensweise hat zu keinerlei Problemen oder Beschwerden geführt und sich im Ergebnis bewährt. Die Führung der Fanströme aus dem Stadtgebiet (WM-Meile), von den Haltestellen des ÖPNV und den P&R-Parkplätzen sowie P&R-Haltestellen zum Stadion war im Rahmen des Planungsprozesses von Verantwortungsträgern der Stadt, der Polizei und des OK WM 2006 einvernehmlich festgelegt worden. Trotz einer sehr späten Anreise zum Stadion (die Masse der Zuschauer erschien in den letzten 60 Minuten vor Spielbeginn an den Einlassstellen zum äußeren Sicherheitsring) konnten alle Zuschauer rechtzeitig vor Spielbeginn ihre Plätze einnehmen, ohne dass die Kontrollintensität an den Einlässen reduziert worden war. Innerhalb des äußeren Sicherheitsringes gab es in der Vorspielphase keinerlei Problemkonstellationen und lediglich in der Nachspielphase (Abmarsch der Zuschauer) kristallisierten sich zwei kritische Bereiche in Form von größeren Stauungen heraus. Durch ein mit dem Veranstalter abgestimmtes Maßnahmenpaket überwiegend polizeilicher Maßnahmen konnte diese Situation bei den folgenden Spielen völlig entschärft werden.

Stadionordnung
Die Stadionordnung wurde durch den Ordnungsdienst insgesamt konsequent angewendet. Durch eine Gefahrenabwehrverordnung der Stadt Kaiserslautern waren wesentliche Bestandteile der Musterstadionordnung in öffentliches Recht überführt worden, was die Handlungssicherheit für die Polizeikräfte erhöhte und aufgrund der Bußgeldandrohungen für Zuwiderhandlungen wahrscheinlich auch eine Präventivwirkung entfaltete (aller-dings wurden keine Verstöße festgestellt).
Die Gefahrenabwehrverordnung wurde nicht auf den WM-Zeitraum beschränkt, so dass sich die genannten positiven Effekte sicher auch nachhaltig auf den regulären Ligabetrieb und sonstige Veranstaltungen im Stadion auswirken.

5. Zusammenarbeit mit dem WM-Büro der Stadt Kaiserslautern
Die Polizei war über den gesamten Planungszeitraum in das WM-Büro der Stadt Kaiserslautern integriert. Die Leitung des Fachbereich VI „Sicherheit und Ordnung“ erfolgte gemeinsam durch den Leiter des Ordnungsamtes und den Leiter der polizeilichen Projektgruppe. Im Ergebnis wurde durch diese Konstellation ein umfassender Informationsaustausch sichergestellt. Gemeinsam durch Stadt und Polizei erfolgte auch eine umfassende Information der Bevölkerung über die Planungen zur WM. In drei Bürgerworkshops wurden die Einwohner offen über die Erwartungen, Einschränkungen und prognostizierten Begleitumstände informiert. Diese besondere und umfassende Kooperation Stadt-Polizei schlug sich in vielen gemeinsamen Projekten nieder (gemeinsames Pressezentrum Stadt – Polizei,gemeinsame Verkehrsleitstelle Stadt – Polizei). Nachstehend sollen exemplarisch und komprimiert drei weitere Projekte dargestellt werden.



5.1 Videoüberwachung
In Kaiserslautern erfolgte eine nahezu flächendeckende Videoüberwachung in drei Bereichen:
• Im Bereich des Stadions mit mehr als 80 Kameras, beginnend am äußeren Sicherheitsring
• Im Bereich des Stadtgebietes mit den Schwerpunkten WM-Meile, Public Viewing Plätze und die Wege zum Stadion mit 38 Kameras sowie
• Zur Verkehrsüberwachung im Stadtgebiet mit rund 60 Kameras

Die drei Anlagen waren unterschiedlich – auf die jeweilige Aufgabenerledigung abgestimmt – konfiguriert: Im Bereich der Verkehrsüberwachung genügten Übersichtsaufnahmen mit zwei Bildern pro Minute, auf eine Datenspeicherung wurde verzichtet. Im Stadtgebiet und im Stadion fanden regelmäßig schwenkbare und mit Zoomobjektiven ausgestattete Anlagen Verwendung. In der Planungsphase waren verbindliche Absprachen zur gemeinsamen Finanzierung und Nutzung durch die Stadt und die Polizei getroffen worden. Im Ergebnis wurde damit eine kostengünstige, nachhaltige und aufgabenadäquate Regelung getroffen, die sich auch im Einsatz bewährte. Der Landesbeauftragte für den Datenschutz (LfD) war frühzeitig und umfassend in die Projektplanung eingebunden. So konnten datenschutzrechtliche Bedenken durch begleitende Regelungen „entschärft“ werden, insbesondere erfolgte nur eine kurzfristige Speicherung. Die permanente Übertragung von Bildern in die Gesamtbefehlsstelle war zur Beurteilung der Sicherheitslage ein wertvolles Hilfsmittel. Besonders im Stadtgebiet konnte der Andrang der Menschenmassen wirkungsvoll gelenkt werden.

5.2 Gemeinsames Call-Center Stadt – Polizei
Intention war, das Informationsbedürfnis der regionalen, aber auch nationalen und internationalen Besucher und damit die Masse der Anrufe an einer Stelle zu bündeln und hier kompetent zu betreuen. Dabei stand auch die Überlegung Pate, die „üblichen“ Anfragestellen (Notrufzentralen, Einsatzleitstellen) zu entlasten. Als Schwerpunkte des Informationsbedürfnisses wurden vier Bereiche prognostiziert:
• Anreise zum Veranstaltungsort/Verkehrsführung
• Touristische Akzente (inkl. Unterkünfte,..)
• Stadion (inkl. Ticketing)
• Sicherheit

Mit einem gemeinsamen Personalkörper (32 Bedienstete, darunter städt. Angestellte, städt. Volunteers sowie sechs Polizeibeamte) wurden fast 7000 Anfragen beantwortet. Das Call-Center war im Rat-
haus Nord während der gesamten WM-Zeit mit einem flexiblen, ereignisorientierten Dienstzeitmodell installiert.
Die genannten Hauptziele wurden erreicht, ausnahmslos positive Rückmeldungen bestätigten den Professionalisierungsgrad des gesamten Teams.


6.3 Allgemeinverfügung „Glasfreie Innenstadt“
Vor dem Hintergrund eines Vorfalles anlässlich einer PV-Veranstaltung in Köln während des Confederations-Cup12 aber auch aufgrund der Erfahrungen anderer Städte bei Großveranstaltungen wurde in Kaiserslautern sehr früh das Projekt „glasfreie Innenstadt“ durch Polizei und Ordnungsamt initiiert.13 Deutliche und beharrliche Widerstände, vor allem aus dem Bereich der Gastronomie, konnten auch mit einer öffentlichen Informationsveranstaltung nicht gänzlich überwunden werden. Letztlich wurde nach langen Verhandlungen eine Allgemeinverfügung der Stadtverwaltung Kaiserslautern erlassen, die es im Wesentlichen untersagte, innerhalb des beschriebenen räumlichen Bereiches
• gewerbsmäßig Getränke in Glasbehältnissen zu verkaufen und
• Glasgetränkebehältnisse außerhalb geschlossener Räume mitzuführen.

Auf diese Verfügung wurde öffentlich hingewiesen. Ausländische Gäste erhielten mehrsprachige Flugblätter und konnten sich durch die Beschilderung an den Eingängen zur WM-Meile informieren. Durch korrespondierende intensive und gemeinsame Kontrollen von Polizei und Ordnungsamt wurde schließlich eine weitgehende „Glasfreiheit“ im betroffenen Gebiet erreicht. Im Ergebnis erlitten bei fast einer Million Besucher lediglich drei (!) Personen Schnittverletzungen. Gegen die Verfügung wurde nicht geklagt. Gastwirte und Hoteliers hielten sich im Wesentlichen an die Verfügungsinhalte. In der Stadt Kaiserslautern ist man nach der WM von der Konzeption „glasfreie Innenstadt“ überzeugt.
Zwischenzeitlich wird diese Verfügung auch bei anderen Großereignissen in Kaiserslautern, beispielsweise beim Altstadtfest, angewendet. Diese umfassende Zusammenarbeit mit der Stadt ist nur ein Beispiel für die vielen anlässlich der WM gelebten Kooperationen. Ohne die intensive Zusammenarbeit mit der Feuerwehr, den „weißen Diensten“ (DRK, Malteser, Johanniter...), dem THW, den Verkehrsverbünden, der Kreisverwaltung, dem Gesundheitsamt und vielen anderen mehr, wäre die WM nicht durchführbar gewesen. Es gilt nunmehr, möglichst vieles aus diesen gemeinsamen Planungen auch in den polizeilichen Alltag zu retten und die umfänglichen Kontakte zu pflegen.

6. Fazit
Der Polizeieinsatz WM 2006 in Kaiserslautern verlief ohne nennenswerte Störungen. Insbesondere wurde von allen Beteiligten, Gästen und den Medien die deutlich sichtbare aber zurückhaltende Präsenz nationaler und internationaler Polizei gelobt. In Umfragen bestätigten deutsche und ausländische Gäste den hohen Sicherheitsstandard.14 Vor allem im Ergebnis der umfassenden Kooperationen ist auch der kleinsten WM-Stadt eine „Punktlandung“ gelungen.
Die durchgehend festzustellende friedliche Atmosphäre in Kaiserslautern wurde meines Erachtens im Wesentlichen durch folgende Faktoren begünstigt:
• In Kaiserslautern spielten nur Teams, deren Anhänger nicht oder überwiegend nicht in Problemfanszenen organisiert sind; größere gewaltsuchende oder gar gewaltbereite in- oder ausländische Fangruppen wurden nicht festgestellt.
• Im Verbund mit den Sicherheitsmaßnahmen am (äußerer Sicherheitsring) und im Stadion sowie auf den PV-Plätzen kam es zu keinen nennenswerten gewalttätigen Aktionen.
• Das friedliche und fröhliche Verhalten der vielen tausend ausländischen Gäste wirkte auch auf die einheimischen Besucher und die Einwohner ansteckend; es entstand eine Party- und Feierstimmung, die durch die attraktive Fanmeile der Stadt gefördert
• Für die Problemfanszene in Rheinland-Pfalz wurde ein koordiniertes und abgestuftes Maßnahmenbündel zur Gefahrenabwehr angewandt. Sobald sich konkrete Gefahrenanhalte ergaben, erfolgten polizeirechtliche Maßnahmen wie Meldeauflagen oder Platz-
verweise / Betretungsverbote. Die Konsequenz im polizeilichen Handeln verunsicherte die Szene.
• Die polizeiliche Einsatztaktik, eine
Mischung aus offener und verdeckter Präsenz mit Zugriffskräften in der „zweiten Reihe“, wurde von der Bevölkerung begrüßt und angenommen. Diese „Präsenz in Sichtweite“ im Verbund mit internationalen Polizeikräften führte dazu, dass „Polizei zum Anfassen“ präsent war. Dieses Angebot wurde von den aus- und inländischen Besuchern in vielen Kontakten, Gesprächen oder „Fotoshootings“ angenommen.
• Grundvoraussetzung hierfür war das Auftreten und Erscheinungsbild der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Das freundliche, zuvorkommende aber auch bei festgestellten Störungen konsequente Handeln bewerteten alle Besucher positiv. Dieses Verhalten wurde über die gesamte Dauer des Einsatzes gezeigt.
• Die insgesamt „stressfreie Anreise“ mit Bus, Bahn oder PKW trug maßgeblich zur Fröhlichkeit und Entspanntheit der Menschen mit bei. Das Verkehrsmanagement, welches in Form einer gemeinsamen Verkehrsleitstelle mit Stadt, ÖPNV-Unternehmen, SWR, ADAC und Polizei organisiert war, hat Früchte getragen: Weder bei Anreise noch bei Abreise kam es zu nennenswerten Verkehrsproblemen.
• Die Regelungen zur „glasfreien Innenstadt“ haben sich bewährt. Es gab nur drei Schnittverletzungen. Niemand erlitt Verletzungen durch Flaschenwürfe. Es kann prognostiziert werden, dass sich diese Art der Verfügung auch bei künftigen Großereignissen durchsetzen wird.

Für mich persönlich war die WM 2006 in Deutschland ein einzigartiges Erlebnis. Mir hat unsere Polizei Spaß gemacht. Die umfassende Planungsarbeit aller Beteiligten hat sich gelohnt und wurde belohnt.
Die Londoner „Times“ brachte es auf den Punkt, als sie anmerkte: Die Stimmung bei uns müsse man auf Flaschen ziehen und überall in die Welt schicken, so toll sei sie.15 Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Fußnoten:
1 Stern 40/2006, S. 216 ff
2 Spiegel-online, 09.07.2006
3 Die Fanbotschaft wurde als Anlaufstelle für die in- und ausländischen Fans durch die beim DFB ansässige „Koordinierungsstelle der Fanprojekte“ (KOS) eingerichtet. Hier konnten sich Fans zu ihren zentralen Fragen (Ticketing, Unterkünfte, Freizeitaktivitäten,...) informieren.
4 FIFA Fußball-WM 2006, News 15, S. 21
5 Gemeinsame Pressekonferenz Stadt und Polizei am 27.06.2006, WM-Ticker Vol. 37,
www.kaiserslautern.de
6 Die „Sicherheitskonzeption Fußball-WM 2006“ der Polizei des Landes Rheinland-Pfalz kann hier nur auszugsweise und exemplarisch dargestellt werden.
7 Bewusst wurde auf den Public-Viewing-Plätzen und der WM-Meile Dienst in der sogenannten 1. Garnitur verrichtet: Stoffhose (keine Jeans), kurzes Hemd und Dienstmütze (grün oder weiß, je nach Aufgabengebiet); die abgesetzt agierenden Zugriffskräfte trugen Einsatzanzüge.
8 Der Polizeiführung liegen zahlreiche Zuschriften aus dem In- und Ausland vor, in welchen sich die Absender über das betont zuvorkommende und freundliche Auftreten bedanken.
9 Technische Werke Kaiserslautern (Betreiber der städtischen Busse, auch für P & R).
10 Im Bahnhof Kaiserslautern können pro Stunde maximal 7.000 Menschen „abgefertigt“ werden.
11 Studie der TU Kaiserslautern, noch nicht veröffentlicht.
12 Juni 2005, Spiel Deutschland – Tunesien: Im Ergebnis einer zunächst kleineren Auseinandersetzung erfolgten Flaschenwürfe mit Glasflaschen, der Boden war mit Scherben übersät, mehrere Menschen erlitten Schnittverletzungen.
13 „Glasfreie Innenstadt“ meint hier flächenmäßig den Bereich der WM-Meile und der Altstadt sowie eines Gebietes rund um das Stadion.
14 exemplarisch: Forschungsteam WM 2006 der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, „Ausländische Fanbefragung während der WM 2006 in Kaiserslautern“: 94,8 % beurteilten die Sicherheit in der Stadt Kaiserslautern als sehr gut bzw. gut, nur 0,5 % als schlecht oder sehr schlecht.
15 SWR 1, 10.07.2006, Nachbetrachtung zur WM, www.swr1.de/themaheute